Fragestellung: Sind Antidepressiva in der Therapie von chronischen Schmerzen unterschiedlicher Ätiologie bei Erwachsenen wirksam?

Hintergrund: Bei einer Vielzahl von chronischen Schmerzerkrankungen werden Antidepressiva, entweder als Monotherapie oder in Kombination mit Analgetika, therapeutisch eingesetzt. Allerdings ist die Datenlage, bezogen auf große placebokontrollierte Studien, schlecht. Die Autoren wollten daher die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Antidepressiva bei 22 unterschiedlichen Schmerzzuständen untersuchen.

Patienten und Methodik: Es wurden systematische Übersichten zur Therapie chronischer Schmerzen in PubMed, Embase, PsycINFO und im Cochrane Central Register of Controlled Trials bis Juni 2022 identifiziert und ausgewertet. Kriterium für die Auswahl der Studien waren systematische Übersichtsarbeiten zum Vergleich eines bestimmten Antidepressivums mit Placebo bei 22 chronischen Schmerzerkrankung bei Erwachsenen. Zwei Gutachter extrahierten unabhängig voneinander die Daten. Der wichtigste Endpunkt war die Schmerzintensität. Bei Kopfschmerzerkrankungen war der primäre Endpunkt die Häufigkeit der Kopfschmerzen. Die Ergebnisse der Studien wurden in eine Skala von 0 (keine Schmerzen) bis 100 (stärkste Schmerzen) umgerechnet und als Mittelwertdifferenzen mit 95 %-Konfidenzintervallen [KI] zwischen Verum und Placebo dargestellt. Die Daten wurden zu dem Zeitpunkt extrahiert, der dem Ende der Behandlung am nächsten lag. Sekundäre Endpunkte waren Sicherheit und Verträglichkeit (Therapieabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen). Die Ergebnisse wurden bei jedem Vergleich als wirksam, nicht wirksam oder nicht schlüssig bewertet.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 26 Übersichtsarbeiten mit 156 einzelnen Studien und zusammen mehr als 25.000 Teilnehmern eingeschlossen. Die Übersichten berichteten über die Wirksamkeit von acht Antidepressivaklassen bei 22 Schmerzdiagnosen mit 42 verschiedenen Vergleichen. Keine der Übersichtsarbeiten lieferte Hinweise auf die Wirksamkeit von Antidepressiva bei chronischen Schmerzen mit hohem Evidenzgrad. Es wurden elf Vergleiche und neun Erkrankungen gefunden, bei denen Antidepressiva wirksam waren, vier davon mit mäßiger Evidenz. Dies war der Fall für Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) bei Rückenschmerzen (mittlere Differenz -5,3 Punkte; 95 %-KI -7,3 bis -3,3), postoperative Schmerzen (-7,3 Punkte, 95 %-KI -12,9 bis -1,7), neuropathische Schmerzen (-6,8 Punkte, 95 %-KI -8,7 bis -4,8) und Fibromyalgie (Risikoverhältnis 1,4, 95 %-KI 1,3-1,6).

Bei den anderen 31 Vergleichen waren die Antidepressiva entweder nicht wirksam (fünf Vergleiche) oder die Daten waren bei 26 Vergleichen nicht schlüssig. Eine mögliche Wirksamkeit bestand bei neuropathischen Schmerzen, beim chronischen Spannungskopfschmerz und beim gleichzeitigen Vorliegen von Depression und Schmerzerkrankung.

Schlussfolgerungen: Belege für die Wirksamkeit von Antidepressiva bei chronische Schmerzen fanden sich bei elf der 42 Vergleiche, die in dieser Sammlung von systematischen Übersichten enthalten sind. Sieben der elf Vergleiche untersuchten die Wirksamkeit von SNRI. Bei den anderen 31 Vergleichen waren die Antidepressiva entweder unwirksam oder die Beweise für die Wirksamkeit waren nicht schlüssig. Die Ergebnisse legen nahe, dass ein differenzierterer Ansatz bei der Verschreibung von Antidepressiva bei Schmerzerkrankungen notwendig ist.

Ferreira GE, Abdel-Shaheed C, Underwood M et al. Efficacy, safety, and tolerability of antidepressants for pain in adults: overview of systematic reviews. BMJ. 2023; 380: e072415