Personen mit Insomnie können den Zustand ihres Gehirns während des Schlafs möglicherweise realitätsnäher beschreiben, als es anhand polysomnografischer Daten möglich ist. Therapie der ersten Wahl ist die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie. Sie wirkt sich auch positiv auf den Verlauf begleitender psychischer Störungen aus.

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"In unserem Alltagserleben empfinden wir Schlaf und Wachzustand als zwei klar voneinander abgrenzbare Zustände," erklärte Prof. Dr. Christoph Nissen, Psychiatrie, Uni Genf. Mithilfe intrazerebraler EEG-Ableitungen habe man aber bei Schlafenden in einzelnen Arealen Wachaktivität detektiert. Andersherum könne bei wachen Personen oder Versuchstieren - neben der Wachaktivität in großen Teilen des Gehirns - in einzelnen Arealen Schlafaktivität vorliegen. Man gehe mittlerweile davon aus, dass es im Wachzustand "Inseln des Schlafs" gebe und im Schlaf "Inseln der Wachheit". Das könne, so Nissen, zumindest teilweise die vermeintliche Diskrepanz zwischen der bei vielen Insomniebetroffenen subjektiv kurzen und von außen beobachteten längeren Schlafdauer erklären. Nissen hält es für denkbar, dass die Betroffenen durchaus wahrnehmen, was in ihrem Gehirn vorgeht, nämlich beispielsweise "Wachheitsinseln" im Schlaf. Die zur Verfügung stehenden Messmethoden, wie die klinische Beobachtung oder auch die Polysomnografie, hält Nissen für zu ungenau, um subtile und lokale neuronale Prozesse abzubilden. Therapieziel bei Insomnie sei daher nicht die Verbesserung des polysomnografisch ermittelten Schlafprofils sondern die schlafbezogene Lebensqualität der Betroffenen.

Mehr "Wachheitsinseln" bei Insomnie?

Nissen und Mitforschende verglichen die subjektiven Berichte von acht Personen mit Insomnie und 14 schlafgesunden Kontrollpersonen nach experimentellen Weckungen im Schlaflabor. Die Weckungen erfolgten aus dem polysomnografisch nachgewiesenen NREM-Schlaf. Fast zwei Drittel der Insomniebetroffenen berichteten, sie seien bereits vor der Weckung wach gewesen. Bei den Kontrollpersonen traf dies nach weniger als der Hälfte der Weckungen zu. Nissen schließt daraus, dass die Polysomnografie, in diesem Fall die Detektion von NREM-Schlaf, komplexe Prozesse der Schlaf-Wach-Regulation nur unzureichend abbildet und wenig mit der Wahrnehmung der betroffenen Person korreliert. Im nächsten Schritt sollen nun die High-density-EEG-Daten der Versuchsreihe ausgewertet werden, um Aktivitätsmuster oder Orchestrierung von Oszillationen genauer zu untersuchen.

Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie wirkt auch auf psychische Komorbidität

Bei psychisch Erkrankten sei, so Nissen, eine Insomnie nicht nur als Begleitsymptom, sondern vielmehr als Komorbidität aufzufassen und entsprechend als eigenständige Erkrankung zu behandeln. Für eine solche Sichtweise spreche beispielsweise die Tatsache, dass Menschen mit Insomnie ein erhöhtes Risiko haben, Jahre später an einer psychischen Störung zu erkranken. Nach Abklingen der Episode einer psychischen Störung könne Insomnie persistieren und erhöhe dann das Risiko für ein Rezidiv. Ein ursächlicher Zusammenhang sei damit zwar nicht nachgewiesen, aber eine kürzlich publizierte Metaanalyse belege, dass eine adäquate Behandlung der Schlafstörung mit einer kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie nicht nur den Schlaf verbessere, sondern sich auch positiv auf die Symptome und den Verlauf psychischer Komorbiditäten wie Alkoholkosumstörungen oder Depression auswirke [Hertenstein E et al. Sleep Med Rev. 2022:101597].

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