Erfahrungen von Zurückweisung und sozialer Ausgrenzung belasten Transgender- und genderdiverse Personen erheblich. Dazu kommen sozialisationsbedingte internalisierte Transphobie und die Neigung, die eigene Geschlechtsidentität aus Scham und Angst zu verbergen. All das trägt zu einem erhöhten Risiko für psychische Störungen und Suizidalität bei.

Transpersonen und Gender-nonkonforme Personen sind laut Dr. Lieselotte Mahler, Psychiatrie, Theodor-Wenzel-Werk, Berlin, verstärkt so genanntem Minderheitenstress (Minoritätenstress) ausgesetzt. Definitionsgemäß tragen folgende drei Faktoren dazu bei:

  • Externale, akut auftretende oder chronisch bestehende, objektiv belastende oder bedrohliche Ereignisse und Bedingungen.

  • Die Erwartung solcher Ereignisse und die Aufmerksamkeit oder Wachsamkeit, die dafür aufgebracht wird.

  • Internalisierte negative gesellschaftliche, religiöse oder moralische Grundannahmen.

Starke Effekte auf die psychische Gesundheit

Mangels geeigneter Erhebungen konnte man, so Mahler, bislang nicht verlässlich quantifizieren, wie stark Minderheitenstress die seelische Gesundheit der Betroffenen angreift. Ein systematisches Review untersuchte nun den Zusammenhang zwischen Minoritätenstress, Depression und Suizidgedanken bei Transgender- und genderdiversen Personen. Es bezog 85 Querschnittsstudien mit durchschnittlich 502 (6-5.584) Teilnehmenden ein. Rund 70 % davon leben in Nordamerika. Die Metaanalyse kam zu dem Ergebnis, dass externaler Stress, die Erwartung von Zurückweisung und internalisierte Transphobie sowie Verheimlichung signifikant mit erhöhten Raten an Depressivität, Suizidgedanken und -versuchen assoziiert waren. Die höchste Effektstärke hatte der Einfluss von Zurückweisungserwartungen auf die Depressivität (r = 0,35; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,28-0,41). Ähnlich starke Effekte hatten internalisierte Transphobie auf Depressivität (r = 0,33; 95 %-KI 0,24-0,40) und Zurückweisungserwartungen auf Suizidgedanken (r = 0,30; 95 %-KI 0,23-0,38). Zu einer erhöhten Rate an Suizidversuchen trugen vor allem externale Stressoren bei (r = 0,21; 95 %-KI 0,15-0,26) [Pellicane MJ et al. Clin Psychol Rev. 2022;91:102113].

Selbstbestimmung zu jedem Zeitpunkt anerkennen

Diese und andere Studien belegen laut Mahler valide die Zusammenhänge zwischen psychischen Belastungen und Erkrankungen und erlebtem Minderheitenstress bei Transpersonen, sowie die Bedeutung eines unterstützenden, nicht-diskriminierenden sozialen Umfelds. In der psychotherapeutischen und psychiatrischen Begleitung von Transpersonen sei eine respektvolle, diskriminierungssensible therapeutische Haltung notwendig. Die Selbstbestimmung der Transperson müsse zu jedem Zeitpunkt der Behandlung anerkannt werden.

13. Psychiatrie-Update-Seminar, 24.-25.2.2023, Mainz. Online und on demand auf med-update.digital