Weltweite epidemiologische Daten aus dem Projekt Global Burden of Disease deuten darauf hin, dass Alkohol in Maßen möglicherweise gesundheitsfördernd wirkt. Das scheint aber, wenn überhaupt, nur unter bestimmten Bedingungen zuzutreffen.

"Will man alkoholbezogene Organschäden vermeiden, dann ist eine vollständige Abstinenz einem auch nur geringgradigen Alkoholkonsum überlegen", erklärte Prof. Dr. Andreas Heinz, Psychiatrie, Charité Universitätsmedizin Berlin. Allerdings sei der Effekt im Vergleich zu niedriggradigem Konsum gering. Zudem sei komplette Abstinenz in Bezug auf bestimmte häufige Krankheiten, etwa kardiovaskuläre Erkrankungen, im Vergleich zu einem geringen Konsum von Nachteil. Ein ähnliches U-förmiges Verhältnis findet man für den Zusammenhang von konsumierter Alkoholmenge und Gesamtmortalität.

Menschen über 40 scheinen zu profitieren

Eine systematische Übersichtsarbeit im Rahmen des Projekts Global Burden of Disease analysierte Daten zu Alkoholkonsum, Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko in 204 Ländern. Ziel der Studie war es einerseits, in Bezug auf verschiedene gesundheitsbezogene Zielparameter zum einen das theoretische Minimalrisiko-Expositionslevel zu ermitteln, welches die konsumierte Alkoholmenge mit dem rechnerisch niedrigsten Gesundheitsrisiko beschreibt. Zudem sollte der Bereich der Nicht-Trink-Äquivalenz (NDE) evaluiert werden, das heißt, das Ausmaß an Alkoholkonsum, bei dem das Gesundheitsrisiko mit dem einer abstinenten Person vergleichbar ist. Abstinente Personen, die früher eine Alkoholkonsumstörung hatten, wurden separat berücksichtigt. Die Daten wurden nach Altersgruppen und Regionen stratifiziert.

In der Altersgruppe der über 40-Jährigen lag das theoretische Minimalrisiko-Expositionslevel im Bereich 0,114-1,87 Standarddrinks á 10 g Alkohol pro Tag. Der Bereich der Nicht-Trink-Äquivalenz dieser Altersgruppe lag zwischen 0,193 und 6,94 Standarddrinks täglich. Bei den 15- bis 39-Jährigen lagen das theoretische Minimalrisiko-Expositionslevel und die Nicht-Trink-Äquivalenz so nahe an Null, dass daraus kein protektiver Effekt von geringem Alkoholkonsum im Vergleich zur Abstinenz abzuleiten ist [GBD 2020 Alcohol Collaborators. Lancet 2022;400:185-235].

Auch niedrig dosiert ist Alkohol keine Medizin

Heinz schätzt die Studie als sehr aussagekräftig ein. Allerdings sei der geringfügig protektive Effekt von geringem Alkoholkonsum auf über 40-Jährige beschränkt. Außerdem sei die Trinkmenge, bei der ein protektiver Effekt zu erwarten sei, sehr gering: Weniger als 1,87 Standarddrinks bedeute weniger als 0,2 Liter Wein pro Tag. Heinz warnte zudem davor, Alkohol als Medizin anzusehen, denn mit jedem Alkoholkonsum steige das Risiko für alkoholbezogene Erkrankungen.

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