Bei Angststörungen und Depressionen liegt nicht selten auch eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vor - die Symptome überlappen sich häufig. Sprechen die Betroffenen auf die bisherigen Therapien nicht gut an, bringt mitunter die ADHS-Therapie den Durchbruch. Etwa ein Viertel bis die Hälfte der ADHS-Kranken leidet an Angststörungen, bis zu 30 % an sozialen Phobien, und auch Depressionen sind gehäuft bei ADHS zu beobachten. Umgekehrt tritt ADHS bei vielen affektiven Erkrankungen als Komorbidität auf: So sind einer Metaanalyse zufolge [Sandstrom A et al. Acta Psychiatr Scand. 2021;143(5):380-91] über 70 % der Kinder mit bipolaren Störungen an ADHS erkrankt, ebenso mehr als 30 % der Kinder mit Depressionen, erläuterte Prof. Dr. Kai Kahl von der psychiatrischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover. Mit dem Alter nehme die Bedeutung von ADHS als Begleiterkrankung zwar wieder ab, unter Erwachsenen mit unipolaren Depressionen sei aber noch etwa jede siebte Person, von denen mit bioplaren Störungen jede fünfte betroffen. Allerdings sei es nicht einfach, eine ADHS von Ängsten und affektiven Störungen klar abzugrenzen: Stimmungswechsel, Unaufmerksamkeit, Desorganisation, Impulsivität und Hyperaktivität finden sich sowohl bei ADHS als auch bei bipolarer Erkrankung, so Kahl auf einem Takeda-Symposium beim DGPPN-Kongress in Berlin.

Für eine begleitende ADHS spreche auch eine schlechte Response auf die Therapie sowie besonders frühe und häufige affektive Phasen. Hier lohne es sich, gezielt nach einer ADHS zu schauen, erläuterte Kahl. Zur Therapie bei mittelgradiger und schwerer Depression empfiehlt der Psychiater, zunächst die Depression anzugehen, bei leichten depressiven Episoden oder euthymen Phasen könne auch die ADHS-Therapie im Vordergrund stehen - je nachdem, was die Betroffenen am meisten beeinträchtige. Liege eine bipolare Störung vor, sollten die Patienten zunächst auf Stimmungsstabilisierer eingestellt werden und erst dann auf ADHS-Medikamente, um einen Switch in die Manie zu vermeiden.

Bei Ängsten in Kombination mit ADHS empfiehlt Dr. Barbara Alm vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim zunächst zu klären, ob die Angst als Folge von ADHS-bedingten Beeinträchtigungen oder als eigenständige Störung auftrete. Letztlich solle aber die schwerere Störung zuerst angegangen werden. Mittlere bis leichte Angststörungen könnten sich bereits durch die ADHS-Therapie bessern. Die Experten verwiesen zur ADHS-Therapie auch auf langwirksame Stimulanzien wie Lisdexamfetamin (Elvanse® und Elvanse Adult®).

Interaktives Symposium 08: "Keine Angst vor der Angst und Depression bei ADHS"; DGPPN-Kongress, Berlin 23.-26.11.2022. Veranstalter: Takeda