Fragestellung: Wie wirksam sind psychiatrische Vorausverfügungen, die mit Unterstützung von geschulten Betroffenen (Peer-Worker) erstellt wurden?

Hintergrund: Die Reduktion von Zwangsmaßnahmen ist mit Blick auf die Menschenrechte, die Patientenautonomie und das Gesundheitswesen von entscheidender Bedeutung. Psychiatrische Vorausverfügungen können hier einen Beitrag leisten, da sie zu den effektivsten Interventionen zählen, um Zwangseinweisungen zu verhindern. Da die Abschlussraten weltweit niedrig sind, wurden in den letzten Jahren vereinfachte beziehungsweise unterstützte Varianten eingeführt. In bisherigen Studien erfolgte die Unterstützung durch Fachpersonal. Der Einsatz von geschulten Betroffenen wurde bisher noch nicht untersucht.

Patienten und Methodik: Die multizentrische, nicht verblindete randomisierte Studie schloss 394 Patientinnen und Patienten in die Intention-to-treat Analyse ein. Voraussetzung waren Volljährigkeit, eine vorherige Zwangseinweisung innerhalb der letzten zwölf Monate und die Diagnose einer Schizophrenie, einer Bipolar-I-Störung oder einer schizoaffektiven Störung. Primäre Zielgröße war die Rate von Zwangseinweisungen innerhalb von zwölf Monaten nach der Intervention, sekundäre Zielgrößen waren unter anderem die Gesamtzahl der Aufnahmen, die therapeutische Allianz (Alliance Scale), Lebensqualität (Schizophrenia Quality-of-Life Scale), Symptomschwere (Colorado Symptom Index), Empowerment (Empowerment Scale) und Recovery (Recovery Assesment Scale).

Ergebnisse: In der durch Peer-Worker unterstützten Gruppe erstellten 107 Patientinnen und Patienten (54,6 %) eine Vorausverfügung, in der Kontrollgruppe 14 (7,1 %). 27,0 % der Patientinnen und Patienten in der Experimentalgruppe waren im Zeitraum von zwölf Monaten nach der Intervention erneut zwangseingewiesen worden, in der Kontrollgruppe 39,9 % (p = 0,007). Im Verlauf zeigten sich in der Experimentalgruppe eine geringere Symptomlast, mehr Empowerment, und ein besseres Recovery. Bezüglich der anderen Parameter ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede.

Schlussfolgerungen: Psychiatrische Vorausverfügungen, die mit Unterstützung durch Peer-Worker erstellt wurden, führen zu einem signifikanten Rückgang von Zwangseinweisungen.

Tinland A, Luobière S, Mougeot F et al. Effect of psychiatric advance directives facilitated by peer workers on compulsory admission among people with mental illness. A randomized clinical trial. JAMA Psychiatry 2022; 79: 752-9