Die Datenlage ist dünn, aber die Ergebnisse aktueller Studien zum psychischen Wohlbefinden des ärztlichen Personals während der COVID-19-Pandemie beunruhigen. Neue Daten zur Suizidalität kommen aus Spanien, zu Burnout und Alkoholkonsum aus Belgien.

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"Im April und Mai 2020, als die erste COVID-19-Welle in Spanien ihren Höhepunkt erreichte, brach das Gesundheitssystem fast zusammen," rief Dr. Pilar Lusilla Palacios, Psychiatrie, Vall d'Hebron Universitätsklinik Barcelona, in Erinnerung. Palacios berichtete aus einer Kohortenstudie zu Suizidgedanken und -verhalten während dieser Zeit. An der Erhebung nahmen 5.450 an spanischen Krankenhäusern Beschäftigte teil. Von diesen gaben 8,4 % an, sie hätten im Untersuchungszeitraum zumindest zeitweise Suizidgedanken gehegt. 3,9 % hatten aktive Suizidvorstellungen, teilweise mit konkreten Suizidplänen oder -handlungen. Sechs (0,1 %) hatten tatsächlich versucht, sich umzubringen.

Es schien protektiv zu wirken, wenn die Befragten weiblich und verheiratet waren, Kinder zu versorgen hatten und öfter von zu Hause aus arbeiteten. Eigene COVID-19-Infektionen, Isolation oder Quarantäne hatten dagegen keinen messbaren Einfluss auf die Häufigkeit von Suizidgedanken oder -handlungen.

Hohe Alkoholkonsum- und Burnoutraten

Prof. Geert Dom, Collaborative Antwerp Psychiatric Research Institute (CAPRI) der Universität Antwerpen, präsentierte erste Ergebnisse einer systematischen Erhebung unter 2.365 belgischen Ärztinnen und Ärzten zu Beginn des Jahres 2021. Der Fokus der Befragung lag auf den Themen Alkoholkonsum und Burnout. Bei etwa jeder fünften befragten Person ergaben die Antworten Hinweise auf einen schädlichen Alkoholkonsum. Bei den Männern betrug die Rate 28 %, bei den Frauen 15 %. Rund 20 % der Männer und 9 % der Frauen gaben an, mindestens einmal im Monat bei einer Gelegenheit mehr als sechs Portionen Alkohol zu konsumieren, was als Binge-Drinking zählt.

Für besonders bedenklich hält Dom auch die mittels Oldenburg Burnout Inventar (OLBI) ermittelten Erschöpfungs- und Burnoutraten: 71 % der Frauen und 50 % der Männer erlebten demnach Erschöpfung. Die Kriterien für ein Burnout-Syndrom erfüllten 50 % der Frauen und 38 % der Männer .

Dom schränkte ein, dass es mangels zeitnaher Vergleichsdaten unklar sei, inwiefern die Ergebnisse die gewöhnliche Belastung des ärztlichen Personals widerspiegeln und wie groß der Beitrag der zusätzlichen Belastung sei, der sie während der COVID-19-Pandemie ausgesetzt waren.

Auch wenn der Vergleich mit anderen Ländern aus vielen Gründen nur mit Vorbehalt möglich ist: Eine bereits im Jahr 2016 durchgeführte Befragung von 920 Ärztinnen und Ärzten kam in Deutschland zu ähnlich beunruhigenden Ergebnissen [Pförringer D et al. J Occup Med Toxicol 2018;13:27].

Was hilft Betroffenen aus der Sucht?

Dom wies auf eine niederländische Studie hin, die sowohl eine Umfrage unter 1.685 Ärzten umfasste als auch semistrukturierte Interviews mit zehn ärztlich Tätigen, die von einer Substanzkonsumstörung betroffen waren, vier Personen mit anderen Berufen und sieben Angestellten des nationalen Programms für die Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten (Physician Health Program, kurz PHP) - eine Institution, die Betroffenen eine Behandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ermöglicht. Ziel der Studie war es zum einen, Faktoren zu identifizieren, die es medizinisch Beschäftigten mit einer Substanzkonsumstörung erleichtern, sich in einer PHP-Anlaufstelle zu behandeln, und zum anderen Hindernisse zu erkennen, die dies erschweren.

Hürden fanden sich auf der persönlichen Ebene der Betroffenen. Dazu zählten neben mangelnder Krankheitseinsicht schmerzhafte Emotionen wie Scham, Angst, Unsicherheit, Gefühle von Schuld und Versagen, Machtlosigkeit oder Schwäche.

Erleichternde Faktoren betrafen unter anderem die Ebene sozialer Beziehungen. Dazu gehört die soziale Unterstützung, aber auch die Konfrontation mit der Störung durch Arbeitskollegen oder Familienmitglieder. Als erleichternde Faktoren auf der Versorgungsebene ermittelte die Studie den "unterstützenden Ansatz", die niedrigschwellige Zugänglichkeit und das positive Image der Hilfe anbietenden Institution [Geuijen PM et al. Eur Addict Res 2022;28:23-32].

European Psychiatric Association (EPA). 30th European Congress of Psychiatry. 4.-7.6.2022 und online unter https://epa-congress.org/