Fragestellung: Steigt mit der Dosis auch die Wirkung von trizyklischen Antidepressiva (TCA) in der Depressionsbehandlung?

Hintergrund: TCA werden mittlerweile seit mehr als 60 Jahren in der Behandlung von Depressionen eingesetzt, trotz der Verfügbarkeit pharmakologisch selektiverer Substanzen. Amitriptylin landete bei einem metaanalytischen Vergleich im Jahr 2018 sogar auf dem ersten Platz. Deshalb empfehlen manche Leitlinien weiterhin den Einsatz von TCA. Bei selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) und selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) ist die Evidenz einer Dosissteigerung bei fehlendem Ansprechen über eine mittlere Dosis hinaus sehr gering. Die hier vorliegende Arbeit analysiert die Evidenz zum Effekt einer Dosissteigerung bei TCA.

Patienten und Methodik: Die Autoren suchten alle Studien, in denen zumindest zwei Dosierungen eines TCA miteinander verglichen wurden. In den Studienarmen musste die Zieldosis vorbestimmt sein. Die Unterschiede zwischen den Dosisgruppen wurden als standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) berechnet.

Ergebnisse: Es wurden 15 Vergleichsstudien gefunden, deren Quellen zwischen den Jahren 1971 und 2000 datiert sind. Alle Studien hatten weniger als 300 Teilnehmer, zumeist zwischen 50 und 70. Das Risiko für Verzerrungen war teilweise hoch. Mehr als zwei Studien fanden sich jeweils zu Amitriptylin, Imipramin und Clomipramin. In zwölf von 15 Studien schnitt die höhere Dosis besser ab, wobei nur zwei Studien diese Resultate aufgrund der Teilnehmerzahl und Effektgröße mit einer statistischen Signifikanz belegen konnten. Eine Dosissteigerung um 100 mg ergab einen mittleren Effekt (SMD = 0,26). In den Studien zu Imipramin und Desipramin brachte eine Steigerung von 150 mg auf 300 mg einen großen Effekt (SMD = 0,8). Die statistische Analyse lieferte keine Hinweise für einen Publikationsbias.

Schlussfolgerungen: Die Autoren sehen die Behauptung, dass höhere TCA-Dosen zu einer höheren Wirksamkeit führen, als nur unsicher belegt an. Insbesondere die oftmals nur vorhandene Auswertung der Studienteilnehmer, die bis zum Studienende in der Studie verblieben (per Protokoll) erschwere die Interpretation. So ist auch zu den wahrscheinlich zunehmenden Nebenwirkungen unter höheren Dosen keine sichere Aussage möglich.

Baethge C, Braun C, Rink L et al. Dose effects of tricyclic antidepressants in the treatment of acute depression - A systematic review and meta-analysis of randomized trials. J Affect Disord 2022; 307: 191-8