Menschen mit Behinderung leiden schwerer und statistisch häufiger an Epilepsie. Umso wichtiger war eine Fortbildung mit dem Schwerpunkt Cannabidiol, die im Januar auf die schwierige Versorgung der Betroffenen hinwies.

Die Zahl hierzulande zugelassener Antiepileptika (AED) ist groß, und ihre Eignung für verschiedene Epilepsieformen gut erforscht. Dennoch sei ein schwerer Mangel an Studien bezüglich der Behandlung von Menschen mit Behinderung zu beklagen, berichtete Dr. Frank Kerling, Leiter der Medizinischen Zentren für Menschen mit Behinderung (MZEB) im mittelfränkischen Schwarzenbruck. Die Behandlungssituation sei darüber hinaus stark verbesserungswürdig. Nur bei 30 bis 40 % der Menschen mit Intelligenzminderung (ID) könne durch die vorhandenen Therapien Anfallsfreiheit erreicht werden.

Als Therapeutika der ersten Wahl nannte Kerling Lamotrigin, Levetiracetam mit der Einschränkung möglicher Verhaltensänderungen sowie Valproinsäure, bei der eine mögliche Schwangerschaft der Patientinnen unbedingt berücksichtigt werden müsse.

Bei Orphan drugs, unter denen Cannabidiol (Epidyolex®, GW Pharmaceuticals) die breiteste Zulassung aufweise, sehe die Forschungslage dagegen etwas günstiger aus. Hier würden bedingt durch die Behandlung seltener Syndrome Menschen mit geistiger Behinderung häufiger in die Zulassungsstudien eingeschlossen. Allerdings seien die Patienten zumeist jung, so dass auch bei diesen Medikamenten Erfahrungen mit der Therapie Erwachsener fehlten.

Nach Kerlings Erfahrung eignet sich Cannabidiol zur Behandlung von Krampfanfällen bei Dravet-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom und tuberöser Sklerose. Die Verträglichkeit sei insgesamt gut. Zu beachten sei jedoch das Interaktionspotenzial mit Clobazam und Stiripentol.

Privatdozent Dr. Felix von Podewils von der Universitätsmedizin Greifswald fasste in einem weiteren Vortrag den aktuellen Wissensstand zur biochemischen Wirkungsweise von Cannabidiol zusammen. Neben der Wirkung auf Ionenkanäle der Synapse spielen dabei die Modulation inflammatorischer Prozesse sowie die Beeinflussung des mTOR-Pathways eine Rolle.

Die Wirksamkeit von Cannabidiol ist nach Einschätzung von Dr. von Podewils bei epileptischen Enzephalopathien sowie bei der tuberösen Sklerose bereits hinreichend bestätigt. Aber auch er wies auf das weitreichende Interaktionspotenzial der erst seit Kurzem zugelassenen Substanz hin.

"EPI Campus 2022: Fortbildung und Austausch zu Epilepsie und Menschen mit Behinderungen" am 22.01.2022; Veranstalter: GW Pharmaceuticals