Fragestellung: Wie gut kann die verbleibende Lebenserwartung bei Menschen mit einer Demenz vorhergesagt werden?

Hintergrund: In den meisten Fällen ist eine Demenz durch eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung verursacht, die zum Tod führt. Die durchschnittliche Überlebensrate mit einer Demenz beträgt sieben bis zehn Jahre. Patienten und ihre Pflegenden fragen ihre Behandler oft nach der verbleibenden Lebenserwartung. Die Antwort auf diese Frage kann sowohl den Betroffenen als auch den Pflegenden zu einer Versorgungsplanung motivieren und in späteren Stadien helfen zu beurteilen, wann eine palliative Behandlung geeignet erscheint. Gegenstand der Untersuchung war, ob es einen validierten Risiko-Score gibt, der das Sterblichkeitsrisiko bei Demenz vorhersagt.

Patienten und Methodik: Es wurde ein systematischer Review von Prädiktionsmodellen für das Sterblichkeitsrisiko bei Demenzerkrankten durchgeführt und nach Validierungsstudien gesucht.

Ergebnisse: Die Suche ergab 3.070 Artikel, von denen 18 eingeschlossen wurden. 16 Studien beinhalteten die Entwicklung eines Modells, von denen drei auch eine externe Validation beinhalteten.

Das am besten validierte Prognosewerkzeug ist der ADEPT-Score, um die Sterblichkeit Demenzerkrankter in einem Pflegeheim vorherzusagen. Der ADEPT-Score ist dafür gedacht, Personen zu identifizieren, die die Voraussetzungen für eine Hospizbehandlung nach US-Kriterien erfüllen, welche eine Lebenserwartung von weniger als sechs Monaten erfordert. ADEPT verwendet zwölf Vorhersagevariablen, wobei Alter, Geschlecht (Männer höheres Risiko), Kurzatmigkeit, Gewichtsverlust, Bettlägerigkeit und Dekubitusbildung sowie die Abnahme der alterspraktischen Fähigkeiten entscheidende Variablen sind. Eine Limitation von ADEPT ist allerdings, dass es nur für Patienten mit stark fortgeschrittener Demenz (Mini-Mental-Status-Test [MMST] < 6) valide ist.

Ein zweites Prognosemodell wurde aus dem Swedish Dementia Registry entwickelt und war zur Vorhersage der Sterbewahrscheinlichkeit Demenzerkrankter geeignet, die sich in Hausarztpraxen oder Kliniken mit Spezialisierung auf Demenz in Behandlung befanden. Im Setting der Primärversorgung wurde die 3-Jahres-Sterblichkeit vorhergesagt durch Alter, Geschlecht, MMST und den Charlson Comorbidity Score, während im Setting der Spezialkliniken die Ursache der Demenz ein weiterer Prädiktor war. Dieses Modell scheint für die Verwendung in einem ambulanten Behandlungs-Setting geeignet, wenngleich weitere Forschung für eine externe Validierung erforderlich ist.

Schlussfolgerungen: Bisher gibt es nur für schwer demente Menschen ein hinreichend valides Prognosewerkzeug für die weitere Lebenserwartung.

Smith EE, Ismail Z. Mortality risk models for persons with dementia: A systematic review. J Alzheimers Dis 2021;80: 103-11