Was tun bei Hirnblutungen unter oralen Antikoagulanzien? Gegen Vitamin-K-Antagonisten und Dabigatran gibt es bewährte Antidots. Schwieriger ist der Weg zur Hämostase unter Faktor-Xa-Hemmern. Immerhin deutet einiges auf einen Nutzen von Andexanet alfa.

Bei Hirnblutungen (ICB) unter oralen Antikoagulanzien (OAK) ist vor allem die Hämatomexpansion gefürchtet - sie tritt Studien zufolge bei etwa einem Drittel der Patienten mit OAK auf, ohne solche Medikamente nur bei etwa jedem Zehnten, erläuterte Professor Joachim Röther von der Asklepios-Klinik in Hamburg-Altona. Zwar sei das Blutungsrisiko bei den mittlerweile dominierenden direkt wirksamen Antikoagulanzien (DOAK) etwas geringer als unter Vitamin-K-Antagonisten (VKA), dieser Vorteil werde aber durch die steigende Zahl der Patienten mit DOAK mehr als kompensiert. Er bezog sich auf eine Studie, nach der in den fünf größten EU-Ländern in den vergangenen Jahren etwa zwei Millionen zusätzliche Patienten auf Faktor-Xa-Hemmer eingestellt worden sind, was jährlich zu etwa 40.000 zusätzlichen therapieassoziierten Blutungen führe, wobei besonders die ICB gravierende Folgen haben. Röther erinnerte an Studien mit Apixaban und Rivaroxaban, in denen rund jeder zweite Patient mit einer ICB unter DOAK starb.

Letztlich kommt es also bei ICB unter OAK neben einer Blutdruckkontrolle auf eine möglichst rasche Hämostase an. Für Patienten unter VKA hat sich die Therapie mit Vitamin K und Prothrombin-Komplex-Präparaten (PPSB) bewährt, so Professor Hagen Huttner, Neurologische Klinik Gießen. Dabei müsse die INR rasch auf Werte unter 1,3 sinken. "Je schneller das gelingt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht zur Hämatomexpansion kommt", so Huttner, und verwies auf die DGN-Leitlinie, die 10 mg Vitamin K plus 30 U/kg PPSB empfiehlt. Eine ausreichende Evidenz liegt mittlerweile auch für den Nutzen des Dabigatran-Antidots Idarucizumab vor. Lange Zeit sei unklar gewesen, ob sich die rasche Normalisierung der Gerinnung mit dem Wirkstoff auch in klinische Vorteile übersetzt. Inzwischen lägen dazu einige Studien vor, unter anderem eine Untersuchung mit 120 Patienten in Deutschland, die auf einen verbesserten klinischen ICB-Verlauf nach der Therapie mit dem Antidot deuten, sodass Idarucizumab in der aktuellen DGN-Leitlinie für solche Situationen empfohlen wird.

Die große Frage bleibe aber, so Huttner, welche Therapien für Patienten mit einer ICB unter Faktor-Xa-Hemmern Vorteile bringen. Die ANNEXA-4-Studie ergab mit dem Antidot Andexanet alfa zwar eine rasche Absenkung der Faktor-Xa-Aktivität, allerdings sei die Anwendung nicht ganz so einfach wie die von Idarucizumab, so müssten die DOAK-Dosis und die Zeit seit der letzten Einnahme berücksichtigt werden.

Huttner sieht jedoch vor allem in der Hämatomexpansion bei immerhin noch 23 % der Patienten in ANNEXA-4 ein Problem, zugleich traten thrombotische Ereignisse bei etwa 10 % auf. Dies wecke Zweifel am Nutzen - bei hohen Kosten. Der Neurologe verwies auf eine Modellrechnung, nach der 14-21 ICB-Patienten mit dem Antidot behandelt werden müssten, um bei einem Betroffenen ein ungünstiges Outcome zu vermeiden. Unklar sei zudem, wie gut Andexanet alfa im Vergleich zu PPSB abschneidet. Es gebe Hinweise, dass PPSB bei Patienten mit starker Antikoagulation durch Faktor-Xa-Hemmer deren Aktivität nicht ausreichend blocken könne. Auch ein indirekter Vergleich von Patienten aus ANNEXA-4 und mit PPSB behandelten ICB-Patienten aus RETRACE-II deutet auf weniger Hämatomexpansion unter Andexanet alfa (13 % vs. 32 %) sowie eine tendenziell, aber nicht signifikant geringere Kliniksterblichkeit. Wie viel das Antidot tatsächlich bringt, sollte die noch laufende kontrollierte Vergleichsstudie ANNEXA-I zeigen.

Symposium SP 5: Management intrakranialer Blutungen. 39. Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin (ANIM); 20.-22.1.2022