Delir, Schlaganfälle, Hirnblutungen, Myopathien und Polyneuropathien - das sind die häufigsten neurologischen Komplikationen bei intensivpflichtigen COVID-19-Patienten in Deutschland. Sie weisen oft auf eine ungünstige Prognose hin.

SARS-CoV-2 verursacht nur selten direkt neurologische Schäden, primär führen die vom Virus getriggerten Entzündungsprozesse und Organausfälle zu solchen Schwierigkeiten, zum Teil auch die maschinelle Beatmung und die ECMO, die mit einem erhöhten Risiko für Hirnblutungen einhergeht. Wie häufig neurologische Komplikationen bei intensivpflichtigen COVID-Patienten in Deutschland vorkommen und welche Konsequenzen sie für den Verlauf haben, wird derzeit in der Studie PANDEMIC geprüft. Erste Resultate hat der stellvertretende Studienkoordinator Privatdozent Konstantinos Dimitriadis von der LMU München vor. An der prospektiven Untersuchung nehmen derzeit 19 Zentren in Deutschland teil, initiiert wurde PANDEMIC vom Studiennetzwerk IGNITE. Die Studienärzte werten Angaben zu Patienten über 18 Jahren mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion aus, bei denen mindestens ein neues neurologisches oder psychiatrisches Symptom während der Erkrankung auftritt. Solche Patienten werden von intensivmedizinisch erfahrenen Neurologen und Psychiatern untersucht.

Bisher, so Dimitriadis, liegen Angaben zu rund 2.700 Patienten auf Intensivstationen vor, bei knapp 13 % haben die Ärzte neurologische Komplikationen festgestellt. Insgesamt ließen sich Angaben zu 392 Patienten mit solchen Beschwerden auswerten. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Patienten mit neurologischen Komplikationen unterscheiden sich demografisch nicht wesentlich von den übrigen COVID-19-Kranken: In der Studie waren sie im Schnitt 65 Jahre alt, zu 71 % Männer und zu 27 % Raucher.

  • Auch die COVID-Risikofaktoren sind ähnlich: 70 % hatten kardiovaskuläre, 23 % neurologische und 19 % pulmonale Vorerkrankungen, drei Viertel waren zuvor funktionell nicht oder wenig beeinträchtigt (mRS-Wert von 0-1).

  • Die allermeisten (80 %) wurden aufgrund einer Ateminsuffizienz intensivpflichtig, über 70 % entwickelten ein Lungenversagen, fast alle benötigten eine invasive Beatmung (82 %), knapp ein Viertel auch eine ECMO.

  • Praktisch alle erhielten eine cCT zur Abklärung, ein Viertel auch eine MRT und eine EEG, jeder Zehnte eine Liquoranalyse.

  • Der größte Anteil der neurologischen Komplikationen entfiel auf zerebrovaskuläre Probleme (41 %), gefolgt von Enzephelopathien (26 %) und neuromuskulären Störungen (20 %).

  • In diesen Kategorien dominierten letztlich aber nur vier Diagnosen: Bei 30 % hatten die Neurologen ein Delir festgestellt, bei 27 % einen ischämischen Schlaganfall und bei 14 % eine intrazerebrale Blutung; 18 % hatten eine Critical Illness Myopathy (CIM) oder eine Critical Illness Polyneuropathy (CIP).

  • 36 % der Patienten starben, dieser Anteil war zu Pandemiebeginn am höchsten und ist mittlerweile deutlich gesunken. Nichtsdestotrotz ist die Prognose weiterhin sehr ungünstig: Über 80 % hatten bei der Entlassung einen mRS-Wert von ≥ 3.

  • Als Haupttodesursache wurde eine respiratorische Insuffizienz festgestellt (ca. 30 %), gefolgt von neurologischen Komplikationen (28%). Am höchsten war die Mortalität unter den COVID-19-Kranken mit zerebrovaskulären Problemen: Davon starben fast 60 %, und nur 12 % erreichten einen mRS-Wert von 0-2 bei der Klinikentlassung.

Neurologische Komplikationen sind damit wesentliche Risikofaktoren für ein ungünstiges Ergebnis, so Dimitriadis. Weitere Auswertungen der Studie sollen in Kürze folgen.

Gesellschaftssymposium der IGNITE, GS4. Bösel J. Dimitriadis K. Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die Neurointensivmedizin - wo stehen wir, wo geht es hin? 39. Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin (ANIM). 20.-22.1.2022