Fragestellung: Welche biologischen, klinischen oder neuropsychologischen Unterschiede helfen bei der Differenzierung zwischen bipolarer Erkrankung (BD) und frontotemporaler Demenz (FTD) und ist eine BD ein Risikofaktor für eine FTD?

Hintergrund: BD und die behaviorale Variante der FTD (bvFTD) teilen sich viele klinische Gemeinsamkeiten. Beide zeigen Phasen starker Stimmungsschwankungen, Impulsivität, Disinhibition oder Apathie. Dieser systematische Review suchte alle Studien aus den gängigen Datenbänken heraus, in denen Patienten mit einer BD oder einer FTD verglichen wurden.

Patienten und Methodik: Es wurden 16 Studien gefunden, die den Einschlusskriterien genügten. Davon enthielten fünf Daten zur Differenzierung zwischen FTD und BD und elf Daten zum Risiko einer FTD-Entwicklung nach der Diagnose einer BD.

Ergebnisse: Die Studien untersuchten zwischen 38 und 381 Teilnehmer. Vielfältige Untersuchungsmethoden wurden eingesetzt und eine quantitative Metaanalyse war aufgrund der heterogenen Methoden nicht möglich. In der klinischen Chemie zeigten sich doppelt so hohe Serumwerte der NfL (Neurofilamtent-Leichtketten) bei Menschen mit einer FTD im Vergleich zu einer BD. Magnetresonanztomografische Untersuchungen zeigten eine stärkere Reduktion der grauen Substanz im frontalen und temporalen Kortex beim Vergleich zwischen bvFTD und BD. Patienten mit einer bvFTD zeigten eine größere EEG-Verlangsamung unter F3, F4, T3, T5, T4, T6. In einer aktuellen affektiven Episode zeigten sich Patienten mit einer BD stärker beeinträchtigt in der Aufmerksamkeit und dem Arbeitsgedächtnis als Menschen mit einer FTD, die andererseits stärker bei der verbalen Flüssigkeit beeinträchtigt waren. Bei vielen Gemeinsamkeiten in der klinischen Präsentation finden sich Hinweise, dass ein gestörtes Essverhalten (Trend zu Süßem, unbeherrschtes Schlingen) häufiger bei einer FTD als bei einer BD auftritt.

Das Risiko der Entwicklung einer FTD im Anschluss an eine BD-Diagnose wurde in zwei retrospektiven Studien untersucht. Von den insgesamt 216 Patienten mit einer FTD hatten circa 10 % in den vorlaufenden zwölf Jahren die Diagnose einer BD erhalten, zumeist erstmals nach dem 40. Lebensjahr. Bei den gefundenen Fallberichten fand sich ein längerer Abstand zwischen den Diagnosen einer BD und einer FTD (24 Jahre). Bekannte genetische Mutationen für eine FTD wurden in sechs Fällen eines Diagnosewechsels von BD zu FTD berichtet, viermal Mutationen im Progranulin-Gen und zweimal C9orf72-Mutationen.

Schlussfolgerungen: Die Autoren sehen weiterhin die Schwierigkeiten, die diagnostischen Möglichkeiten aufgrund der geringen Fallzahlen abschließend zu beurteilen. Neuentwicklungen wie die Messung von NfL im Serum können sinnvoll sein. Insbesondere bei Erstdiagnose einer BD im höheren Alter scheint ein höheres Risiko für eine FTD zu bestehen.

Roman Meller M, Patel S, Duarte D et al. Bipolar disorder and frontotemporal dementia: A systematic review. Acta Psychiatr Scand 2021; 144: 433-47