Die durch das Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) hervorgerufene Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) kann zum Teil anhaltende schwerwiegende Folgen haben. Die COVID-19-Pandemie stellt für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem eine in der jüngeren Vergangenheit einzigartige Belastung dar. Es ist davon auszugehen, dass auch nach dem Abklingen der Pandemie die COVID-19-Erkrankung in der ärztlichen Tätigkeit präsent bleiben wird. Dieser Artikel soll einen Überblick über neuropsychiatrische post-akute COVID-19-Symptome geben.

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Bislang sind etwa 177 Millionen Menschen weltweit an COVID-19 erkrankt und innerhalb von knapp einem Jahr traten nahezu drei Millionen Todesfälle auf [1]. Die akute Erkrankung kann alle Organsysteme betreffen, allerdings stehen in den meisten Fällen respiratorische Symptome im Vordergrund. Als akute Krankheitsphase werden die ersten drei bis vier Wochen nach Symptombeginn angesehen. Replikationsfähige SARS-COV-2-Viren konnten bislang nicht länger als drei Wochen nach Symptombeginn nachgewiesen werden [2]. Über diesen Zeitraum hinaus anhaltende Symptome stellen sich sehr heterogen dar.

Begriffsdefinition Post-COVID-Symptome

Verschiedene Begriffe werden dafür verwendet: Long-COVID, Post-COVID oder "long-haulers". Aktuell setzt sich in der wissenschaftlichen Terminologie die zeitliche Unterteilung in drei Phasen durch (Abb. 1), die auf eine Empfehlung des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) zurückgeht [3]. So werden eine akute COVID-19-Krankheitsphase (COVID-19-Symptome bis vier Wochen nach vermuteter oder nachgewiesener akuter COVID-19-Erkrankung), eine subakute Krankheitsphase (fortbestehende COVID-19-Symptome in den Wochen 4 bis 12 nach Symptombeginn) und ein Post-COVID-19-Syndrom (Symptome, die im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung oder auch danach aufgetreten sind, mehr als zwölf Wochen nach Erkrankung noch vorliegen und nicht anderweitig erklärt werden können) unterschieden. Die letzten beiden Krankheitsphasen werden als Post-akut-COVID-19 Syndrom zusammengefasst. Die Begriffe Post-COVID und Post-akut-COVID-19 sind treffender als der Begriff Long-COVID, der eine chronische Viruserkrankung durch SARS-CoV-2 impliziert, für die es derzeit keinen Anhalt gibt.

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COVID-19-Symptome im zeitlichen Verlauf

Wissenschaftliche und medizinökonomische Bedeutung

Angesichts der beispiellosen Belastungen der Gesellschaft und des Gesundheitssystems durch die COVID-19-Pandemie lassen post-akute COVID-19-Symptome eine Verlängerung der Katastrophe befürchten. Daher wird dem Verständnis und der Bekämpfung dieser Symptome große Bedeutung beigemessen. Für Forschungsvorhaben post-akuter COVID-19 Symptome werden international erhebliche Beträge zur Verfügung gestellt [4], zum Beispiel in den USA 1,15 Milliarden US-Dollar durch die US National Institutes of Health (NIH) oder in Großbritannien 38,5 Millionen britische Pfund durch das National Institute for Health Research (NIHR). In Deutschland stellt das Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) für das Netzwerk Universitätsmedizin insgesamt fünf Millionen Euro bereit. Zur Behandlung von Post-COVID-Patienten wurde in Großbritannien ein Krankenhaus-Netzwerk von 69 Kliniken mit 10 Millionen britischen Pfund gefördert.

Symptome und Häufigkeit

Eine einheitliche klinische Definition post-akuter COVID-19-Symptome gibt es bislang noch nicht. Es werden sehr unterschiedliche Symptome berichtet, die isoliert oder in verschiedenen Kombinationen auftreten und von sehr unterschiedlicher Dauer sein können. Symptome können entweder in der akuten Erkrankungsphase auftreten und anhalten oder sich erst im Verlauf von Wochen und Monaten nach der Infektion manifestieren [5].

Bereits früh im Verlauf der Pandemie fanden sich Berichte über post-akute COVID-19-Symptome in sozialen Netzwerken und Patientenforen. In der Folge wurden rasch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen veröffentlicht. So zeigten zahlreiche Daten aus Kohorten- und Registerstudien eine stark variierende Häufigkeit von lang anhaltenden Symptomen bei etwa 10-80 % der COVID-19-Patienten [6, 7]. Diese Variabilität kann durch verschiedene Definitionen der Zeiträume und Symptomatik, aber auch durch hohe Anteile hospitalisierter und schwer erkrankter Patienten in den Studienpopulationen erklärt werden. Betrachtet man die Gesamtheit der COVID-19-Infizierten, ist zu erwarten, dass etwa 10-20 % der COVID-19-Patienten von Langzeitsymptomen betroffen sind. Bei der Nachverfolgung von mehr als 20.000 auf COVID-19 positiv Getesteten gaben 13,7 % an, nach mehr als zwölf Wochen noch mindestens ein Symptom an [4]. Ein fast identischer Anteil zeigte sich in einer anderen Untersuchung, in der 13,3 % von 4.182 auf COVID-19 positiv getestete Patienten post-akute COVID-19-Symptome angaben [8].

Etwa 10-20 % aller COVID-19-Patienten sind von lang anhaltenden Symptomen betroffen.

Post-COVID-19 bezeichnet mehr als zwölf Wochen anhaltende Symptome.

Die Patienten berichten über ein breites Spektrum an Symptomen (Abb. 2) [6, 9]. Dabei sind sowohl schwer Erkrankte mit lang anhaltenden leichten Symptomen als auch leicht Betroffene mit einer im späteren Verlauf stärker ausgeprägten Symptomatik zu finden. Mortalitäts- und Hospitalisierungsraten bleiben mindestens sechs Monate nach COVID-19 erhöht, auch bei Patienten, die in der Akutphase nicht stationär behandelt wurden [7]. Long-COVID-Symptome treten unabhängig von der Krankheitsschwere auf [10].

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Symptome und Syndrome nach COVID-19

Bei der akuten Erkrankung führen wahrscheinlich virale Toxizität, vaskuläre Schäden, Hyperkoagulabilität und Dysregulation des Immunsystems zu den schweren und prolongierten Verläufen, die multiple Organe und Organsysteme betreffen [11]. Schwerer Erkrankte leiden entsprechend häufiger an Langzeitfolgen [12]. Risikofaktoren für einen schweren Verlauf stellen auch Risikofaktoren für lang anhaltende Symptome dar (Alter, Vorerkrankungen wie Herzkreislauferkrankungen, Diabetes mellitus, Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber, der Niere, Krebserkrankungen oder Faktoren wie Adipositas und Rauchen sowie Immunsuppression (Tab. 1). Patienten mit Durchfall in der Akutphase, Geruchsminderung und niedrigen Antikörpertitern gegen SARS-CoV-2 leiden häufiger unter gesundheitlichen Langzeitfolgen von COVID-19 [5]. Als weitere Risikofaktoren für lang anhaltende Symptome wurden weibliches Geschlecht, vorbestehende Depressionen oder Angststörungen identifiziert [13].

T1 Risikofaktoren für post-akute COVID-19-Symptome

Neuropsychiatrische Symptome nach COVID-19 sind häufig und zeigen verschiedene Ausprägungen.

Ob und wieweit Virusvarianten die post-akute Symptomatik beeinflussen, ist derzeit (Stand Juni 2021) ungeklärt.

Neuropsychiatrische Symptome

Der Anteil post-akuter COVID-19-Patienten mit neuropsychiatrischen Symptomen wird auf 25-56 % geschätzt [9]. Das Risiko steigt ebenso wie bei den anderen Langzeitsymptomen mit der Schwere der Erkrankung. Die COVID-19-Diagnose erhöht die Wahrscheinlichkeit einer psychiatrischen Diagnosestellung in den folgenden Monaten [14], auch im Vergleich zu anderen, ähnlich schweren Erkrankungen [13].

Komplikationen wie Schlaganfälle, Sinusvenenthrombosen, Critical-illness-Neuropathien/-Myopathien, hypoxische Enzephalopathien oder parainfektiöse Autoimmunerkrankungen sind für einen Teil der neuropsychiatrischen post-akuten COVID-19-Symptome verantwortlich. Die dabei auftretenden Symptome sind durch die jeweilige Organschädigung gut erklärt und objektivierbar. Aber viele der neuropsychiatrischen Symptome können dadurch nicht oder nur unzureichend erklärt werden. Die Prävalenz der einzelnen Symptome unterscheidet sich in den bislang veröffentlichten Studien stark, sodass hierzu keine exakten Angaben möglich sind.

Als wohl häufigste post-akute COVID-19-Symptomatik wird in vielen Publikationen Fatigue angeführt [6, 14], ein Symptomkomplex mit chronischer Erschöpfung und starker Müdigkeit. Dies ist nicht überraschend, da Fatigue auch nach anderen schweren Erkrankungen jeder Ätiologie, und insbesondere bei zahlreichen anderen Viruserkrankungen, beobachtet wird. So zeigen 70 % der Patienten mit einem nicht COVID-19 assoziierten Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) nach zwölf Monaten Fatigue-Symptome [15]. Überlebende von früheren Corona-Virus-Epidemien, zum Beispiel der SARS- oder MERS-Epidemie 2003 und 2012, zeigten ebenfalls anhaltende Symptome [9, 14]. Im Vergleich zu diesen Manifestationen scheint sich SARS-CoV-2 durch eine breitere Organbeteiligung, eine höhere Symptomwahrscheinlichkeit und das Auftreten auch nach leichten akuten Verläufen zu unterscheiden [7]. Ähnlich wie bei Infektionen mit anderen Viren, beispielsweise Influenza- oder Epstein-Barr-Virus, werden langanhaltend diffuse Myalgien, eine allgemeine Muskelschwäche und Arthralgien beobachtet. Hier gibt es Parallelen zu den umstrittenen Krankheitsbildern Chronic Fatigue Syndrome (CFS) und Myalgic Encephalomyelitis (ME), bei denen ebenfalls Fatigue auftritt und eine postinfektiöse Ätiologie vermutet wird [4].

Kopfschmerzen werden in der akuten und post-akuten Krankheitsphase berichtet [5, 9]. Häufig handelt es sich um migräneartige Kopfschmerzen, die sich therapierefraktär auf gängige Analgetika zeigen. Es kommen nach der Akutphase anhaltende und später einsetzende Kopfschmerzen vor.

An Schlafstörungen werden sowohl Schlaflosigkeit als auch Schlafzyklusstörungen mit nicht erholsamem Schlaf berichtet. Schlafstörungen scheinen häufiger bei jüngeren Patienten aufzutreten und durch andere psychiatrische Symptome sowie das soziale Umfeld beeinflusst zu sein [16].

Angststörungen sind häufiger als affektive Störungen zu beobachten. Ihr Auftreten wird von psychiatrischen Vorerkrankungen und der Schwere der Akuterkrankung beeinflusst [13]. Affektive Störungen reichen von Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen [9]. Auch hier zeigte sich eine Vergleichbarkeit zu nicht COVID-19-ARDS-Patienten, die in 42 % über anhaltende Angststörungen und in 36 % über Depressionen berichteten [15].

Posttraumatische Belastungsstörungen werden wie bei SARS und MERS relativ häufig berichtet [17]. Das soziokulturelle Umfeld, gesellschaftliche Erwartungen und Befürchtungen könnten eine Rolle spielen, sind aber bislang nicht untersucht. Ein häufigeres Auftreten von Psychosen konnte nicht konsistent festgestellt werden [13].

Die Mehrzahl der COVID-19-Patienten klagt über Geschmacks- und Geruchsstörungen. Bei einem Teil der Patienten bestehen diese in der post-akuten Phase weiterhin unverändert fort. Patienten berichten nach dem Wiederkehren des Geruchsempfindens von einer veränderten Wahrnehmung bekannter Gerüche und Geschmackserlebnisse.

Bis zu zwei Drittel der hospitalisierten Patienten berichten noch vier Monate nach der Entlassung über relevante kognitive Störungen, die sie im Alltag beeinträchtigen [18]. Die kognitive Beeinträchtigung kommt mit und ohne Fluktuation vor. Sie manifestiert sich als Benommenheit, Konzentrationsstörungen (im englischen als "brain fog" bezeichnet), Gedächtnisstörungen, rezeptiven Sprachstörungen und Störungen der Exekutivfunktionen [9]. Viele Veröffentlichungen diesbezüglich verwenden subjektive Einschätzungen in Patientenbefragungen, aber auch in standardisierten kognitiven Testungen konnten alltagsrelevante Defizite festgestellte werden. Besonders deutlich zeigte sich in einer vergleichenden Untersuchung die Beeinträchtigung des verbalen Lernens und der Exekutivfunktionen [18]. Ob Beeinträchtigungen dauerhaft bleiben, oder wie sie sich ab einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach der Akuterkrankung entwickeln, ist noch ungeklärt.

Pathophysiologie

Über die biologischen Mechanismen der COVID-19-Folgen können bislang nur Mutmaßungen angestellt werden. Möglich sind eine anhaltende Schädigung durch Viren oder Viruspartikel, durch eine anhaltende postinfektiöse Inflammation [9] oder durch eine unerkannte hypoxische Schädigung des Hippocampus [18].

SARS-CoV-2 dringt über ACE2-Rezeptoren in die Wirtszellen ein. Diese Rezeptoren sind in vielen Organen exprimiert, sodass dadurch die multiple Organbeteiligung und auch der ZNS-Befall erklärt werden können. Die höhere Affinität von SARS-CoV-2 zu diesem Rezeptor könnte die im Vergleich zu anderen Coronaviren höhere Pathogenität verursachen [3]. Geruchs- und Geschmacksstörungen können durch die Ausbreitung der Viren über den Nervus olfactorius erklärt werden. Nach In-vitro-Untersuchungen kann sich SARS-CoV-2 möglicherweise im Gegensatz zu SARS-CoV-1 in neuronalen Zellen replizieren [19].

Die Pathophysiologie von Post-COVID-19 ist bislang ungeklärt.

Für die neuropsychiatrischen Symptome könnte weiterhin eine besondere Affinität des Sars-CoV-2 zu bestimmten Hirnarealen eine Rolle spielen. So zeigten Post-COVID-19-Patienten in 18F-FDG-PET-Untersuchungen einen Hypometabolismus in Arealen des limbischen Systems [20] sowie in einer anderen Untersuchung im frontoparietalen Cortex [21].

T2 Übersicht neuropsychiatrischer Symptome

Prognose und Therapie

Verlässliche Daten zur Verlaufsbeurteilung und Prognoseabschätzung post-akuter COVID-19-Symptome fehlen bisher. Eine Verbesserung dieser Situation ist bald zu erwarten, da weltweit zahlreiche Studien damit befasst sind [9]. Es werden der Verlauf der Symptome betrachtet, zum Beispiel Long-term Morbidity of SARS-CoV-2 Infection and COVID-19 Disease (COVIDOM), One-year Outcomes in Survivors of the Severe COVID-19 Pneumonia (CO-Qo-ICU), Multi-Organ Imaging With Serial Testing in COVID-19 Infected Patients (MOIST), Long-term Impact of Infection with Novel Coronavirus (LIINC), auch speziell der neuropsychiatrischen Symptome, zum Beispiel CO-Qo-ICU, Mental Health Impact and NeeDs Associated With COVID-19 (MIND/COVID-19) oder Auswirkungen auf die Lebensqualität, zum Beispiel COVIDOM, Functional and Respiratory Rehabilitation and Nutritional Care of COVID-19 Patients (RECOVER-19), CO-Qo-ICU, McMaster Coronavirus (COVID-19) Registry (COREG) Extension, untersucht. Andere Studien suchen nach immunologischen, enzymatischen, metabolischen oder radiologischen Prädiktoren des Verlaufs, zum Beispiel Description of Immunologic, Enzymatic and Metabolic Biomarkers Associated to the Severity of COVID-19 (SARS-CoV-2) and Its Resolution (BIOMARK-COVID, MOIST). Hoffnung machen die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe, die in einem 6-monatigen Follow-up die weitgehende Normalisierung des in 18F-FDG-PET-Untersuchungen festgestellten Hypometabolismus und eine Verbesserung der kognitiven Störungen zeigten [22].

Zu Prognose und Therapiemöglichkeiten ist bislang wenig bekannt.

Spezifische Therapieansätze sind bisher nicht vorhanden. Durch die multiple Organbeteiligung erscheinen Rehabilitationsmaßnahmen mit einem multidisziplinären Ansatz sinnvoll [17]. Vorläufige Daten aus Großbritannien legen eine Verbesserung der Symptome durch COVID-19-Impfungen nahe [4], was eine außergewöhnliche Tatsache darstellen würde. Falls sich diese Verbesserung bestätigt, wäre beispielsweise eine frühere Impfung für COVID-19-Patienten nach der akuten Krankheitsphase gerechtfertigt (in Deutschland derzeit 6 Monate). Es ist zu erwarten, dass die dynamische Forschungslage hier weitere Erkenntnisse bringen wird.

Fazit für die Praxis

Die akute COVID-19-Krankheitsphase dauert bis vier Wochen, die subakute Krankheitsphase bis 12 Wochen nach Symptombeginn, danach wird von einer Post-COVID-19-Symptomatik gesprochen. Die letzteren beiden Phasen werden auch als post-akutes COVID-19-Syndrom zusammengefasst. Eine Vielzahl an Langzeitsymptomen wird berichtet, darunter viele neuropsychiatrische Störungen. Häufig sind Fatigue, Myalgien, Kopfschmerzen, Angststörungen, Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Geruchs-und Geschmacksstörungen und kognitive Beeinträchtigungen. Sie treten bei wahrscheinlich 10-20 % der Infizierten auf, der Verlauf und die Prognose sind noch ungeklärt. Bislang bestehen nur supportive Therapiemöglichkeiten.