Fragestellung: Ist eine passive Immunisierung mit Antikörpern gegen das Tau-Protein bei Patienten mit progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) sicher und wirksam?

Hintergrund: Die PSP ist ein seltenes atypisches Parkinson-Syndrom mit einer Prävalenz von 1,7-2,7 pro 100.000 Personen. Die Erkrankung ist charakterisiert durch eine vertikale Blickparese sowie progrediente Parkinson-Symptome. Pathologisch handelt es sich um eine Tauopathie, assoziiert mit einer abnormalen Faltung und Aggregation des Tau-Proteins. Tau ist ein hochlösliches, ungefaltetes und hitzestabiles Protein, das eine wichtige Rolle beim Aufbau und bei der Stabilisierung von Mikrotubuli spielt. Es gibt sechs Isoformen von Tau, die durch alternatives Spleißen der mRNA im Gehirn entstehen. Bei der PSP findet sich insbesondere die 4R-Tau-Isoform. Derzeit steht keine adäquate symptomatische oder krankheitsmodifizierende Therapie für dieses Krankheitsbild zur Verfügung. Vor diesem Hintergund wurde der humanisierte monoklonale Antikörper Tilavonemab entwickelt, der eine aggregierte, extrazelluläre Form von pathologischem Tau erkennt und der gegen den N-Terminus gerichtet ist.

Patienten und Methodik: In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten, multizentrischen Parallelgruppenstudie der Phase II wurden 377 Personen an 66 Studienzentren mit mindestens einer Dosis Tilavonemab (2.000 mg bzw. 4.000 mg) oder Placebo behandelt. Der Behandlungszeitraum umfasste 52 Wochen. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von ≥ 40 Jahren, die die klinischen Kriterien (NINDS-SPSP) für mögliche oder wahrscheinliche PSP erfüllten und deren Symptome weniger als fünf Jahre bestanden, die mindestens fünf Schritte mit minimaler Hilfe gehen konnten und einen zuverlässigen Studienpartner hatten. Primärer Endpunkt war die Veränderung der Progressive Supranuclear Palsy Rating Scale (PSPRS) vom Ausgangswert bis Woche 52.

Ergebnisse: Die mittlere Veränderung von Baseline bis Woche 52 in der PSPRS war in allen drei Gruppen ähnlich ausgeprägt und war nicht signifikant unterschiedlich zu Placebo. Die überwiegende Anzahl der Teilnehmer berichtete mindestens über ein unerwünschtes Ereignis, am häufigsten Stürze.

Schlussfolgerungen: Es konnte kein Unterschied auf den primären Endpunkt zwischen den beiden Behandlungsgruppen und der Placebogruppe nachgewiesen werden. Dies traf auch für die sekundären Endpunkte zu. Aufgrund der Ergebnisse wurde das Studienprogramm für PSP mit Tilavonemab inzwischen beendet.

Höglinger GU, Litvan I, Mendonca N et al. Safety and efficacy of tilavonemab in progressive supranuclear palsy: a phase 2, randomised, placebo-controlled trial. Lancet Neurology 2021; 20: 182-92