Wie behandeln?

Fragestellung: Welche Therapie hilft bei depressiven Symptomen oder einer majoren Depression bei Menschen mit einer Demenz?

Hintergrund: Depressive Syndrome sind häufig bei Menschen mit einer Demenz. Verschiedene medikamentöse und nicht medikamentöse Therapien werden zur Behandlung vorgeschlagen. Die vergleichende Effektivität möglicher Interventionen wurde noch nicht in einer Analyse dargestellt.

Patienten und Methodik: Die Autoren suchten systematisch Studien zur Behandlung depressiver Syndrome bei Menschen mit Demenz und führten eine statistisch aufwendige Meta- und Netzwerkanalyse durch.

Ergebnisse: 213 Studien mit 25.177 Menschen mit Demenz und depressiven Symptomen und 22 Studien mit 1.829 Menschen mit Demenz und einer majoren Depression wurden gefunden. Beide Gruppen wurden getrennt analysiert. Bei den depressiven Symptomen zeigten kognitive Stimulation mit und ohne Gabe eines Cholinesterasehemmers, Massage und Berührungen, Ergotherapie und Physiotherapie verbunden mit sozialer Interaktion und Reminiszenztherapie sich dem Treatment as usual überlegen. Einzelne Studien mit Antidepressiva zeigten sich im Vergleich zu Treatment as usual nicht überlegen. Bei Vergleichen zwischen nicht medikamentösen Interventionen und Medikamenten zeigten sich die nicht medikamentösen Interventionen den Medikamenten nicht unterlegen. Die Studien zur Behandlung einer majoren Depression bei Menschen mit Demenz waren so heterogen und mit einem hohen Verzerrungsrisiko aufgrund von fehlenden Daten für Studienabbrecher verbunden, dass für diese Studien keine Metaanalyse erfolgen konnte. Für einzelne Antidepressiva ergaben sich heterogene Befunde.

Schlussfolgerungen: Die Autoren folgern, dass zur Behandlung depressiver Symptome bei Menschen mit Demenz hauptsächlich nicht medikamentöse Interventionen mit kognitiver und sozialer Aktivierung herangezogen werden sollten. Zur Behandlung von Menschen mit Demenz und einer majoren Depression können aufgrund der Schwächen der vorliegenden Studien keine Empfehlungen gemacht werden.

Watt JA, Goodarzi Z, Veroniki AA et al. Comparative efficacy of interventions for reducing symptoms of depression in people with dementia: systematic review and network meta-analysis. BMJ 2021; 372: n532

Kommentar von Michael Hüll, Emmendingen

Wirklich eine majore Depression?

Antriebsmangel, Interessenverlust, Schlaf-und Appetitstörungen - viele dieser Symptome sind häufig bei Menschen mit leichter Demenz in der eigenen Häuslichkeit und extrem häufig bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz im Pflegeheim anzutreffen. Diese umfangreiche systematische Übersichtsarbeit zeigt, dass bei dem Fehlen einer majoren Depression diesen Einzelsymptomen am besten mit kognitiver und sozialer Aktivierung begegnet werden kann. Obwohl letztendlich überzeugende klinische Studien fehlen, wird eine majore Depression bei beginnender Demenz wohl in den meisten Fällen mit einem Antidepressivum behandelt werden. Die Kernsymptome einer Depression, die negative Selbstsicht und die Unfähigkeit Freude zu empfinden, sollten aber vorliegen. Bei Antriebs- und Interessenverlust im Pflegeheim und Freude und Interesse bei Angehörigenbesuch ist der Nutzen einer Antidepressivagabe mehr als fraglich.