Fragestellung: Welche Auswirkungen haben verschiedene Antidepressivaklassen und einzelne Verbindungen mit unterschiedlicher Behandlungsdauer auf das Risiko einer Demenz?

Hintergrund: Angesichts der Notwendigkeit krankheitsmodifizierender Therapien für Demenz ist eine Neubewertung von Arzneimitteln ein vielversprechender Ansatz, zumindest als Risikominderungsbehandlung. Präklinische Studien legen nahe, dass Antidepressiva, insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), positive Auswirkungen auf Demenzbiomarker und die Alltagsfunktion haben könnten. Die vorliegende Fall-Kontroll-Studie bewertete die Auswirkungen verschiedener Antidepressivaklassen und einzelner Verbindungen mit unterschiedlicher Behandlungsdauer auf das Risiko einer Demenz.

Patienten und Methodik: Die retrospektive Datenanalyse aus der Antidepressiva-Marktforschung (IQVIA) umfasste 62.317 Patienten mit einer Demenzdiagnose (ICD-10: F01, F03, G30, F06.7) und Kontrollen (nach Alter, Geschlecht und Arzt gematcht). Es erfolgten logistische Regressionsanalysen, die den Krankenversicherungsstatus und komorbide Erkrankungen im Zusammenhang mit Demenz oder Antidepressiva berücksichtigen, um den Zusammenhang zwischen Demenzinzidenz und Behandlung mit vier Hauptklassen von Antidepressiva und 14 der am häufigsten verschriebenen einzelnen Substanzen zu untersuchen.

Ergebnisse: Bei 17 von 18 Vergleichen war eine langfristige Behandlung (mindestens zwei Jahre) mit irgendeinem Antidepressivum im Gegensatz zu einer kürzeren Behandlung mit einer reduzierten Demenzinzidenz assoziiert, auch wenn für Depression kontrolliert wurde. Auch Trizyklika und pflanzliche Mittel inklusive Hypericum perforatum zeigten diesen Effekt, der jedoch für Escitalopram am größten war (Odds Ratio: 0,66; 95 %-Konfidenzintervall: 0,50-0,89).

Schlussfolgerungen: Eine langfristige Behandlung mit Antidepressiva, vor allem mit Escitalopram, war in dieser Studie mit einer reduzierten Demenzinzidenz assoziiert. Wenn eine antidepressive Therapie gut vertragen wird und die depressiven Beschwerden so weit wie möglich reduziert sind, könnte ein antidementiver Effekt neben der Rückfallprävention ein weiterer Grund für die Fortsetzung der Behandlung sein.

Bartels C, Belz M, Vogelgsang J et al. To be Continued? Long-term treatment effects of antidepressant drug classes and individual antidepressants on the risk of developing dementia: A german case-control study. J Clin Psychiatry 2020; 81: 19m13205