Fragestellung: Wirkt Galcanezumab, ein monoklonaler Antikörper gegen das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), bei Patienten mit episodischer oder chronischer Migräne und Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (medication overuse, MO)?

Hintergrund: Die regelmäßige oder häufige Einnahme von Schmerz- oder Migränemitteln zur Behandlung von akuten Migräneattacken kann zu einer Verschlechterung der Migräne und zu einer Zunahme der Migräne- und Kopfschmerztage führen. Dabei ist ungeklärt, ob der MO diese Verschlechterung bewirkt oder ob die Patienten vermehrt Schmerz- und Migränemittel einnehmen, weil sich die Migräne verschlechtert. Bisher waren die beiden einzigen wissenschaftlich belegten medikamentösen Therapieansätze eine Migräneprophylaxe mit Topiramat oder OnabotulinumtoxinA. Die monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor sind wirksame Substanzen zur Prophylaxe der episodischen und chronischen Migräne, die sich durch eine gute Verträglichkeit auszeichnen. Für alle vier Antikörper liegen mittlerweile Studien bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen durch MO vor.

Patienten und Methodik: Es handelt sich um eine Post-hoc-Analyse von Patienten, die an zwei Studien zur episodischen Migräne (EVOLVE- I und-II) und an einer Studie mit chronischer Migräne (REGAIN) teilnahmen. Die Patienten erhielten entweder 120 oder 240 mg Galcanezumab subkutan einmal monatlich oder Placebo für drei bis sechs Monate. Verglichen wurden in dieser Analyse die Ergebnisse für Patienten mit und ohne MO. Die Endpunkte der Studie waren die Reduktion der Migränetage pro Monat und die 50 %-Responderraten.

Ergebnisse: In den EVOLVE-Studien erhielten 77 Patienten die niedrige und 84 die hohe Galcanezumabdosis (mittleres Alter: 44 Jahre, 85 % Frauen). Die mittlere Zahl der Migränetage pro Monat lag bei 12. Die Migräne bestand im Mittel seit 22 Jahren. Die am häufigsten eingenommenen Medikamente waren Triptane (60 %) und nicht steroidale Antirheumatika (NSAR, 10 %). Die übrigen Patienten nahmen mehrere Substanzgruppen ein. In der REGAIN-Studie erhielten 178 Patienten die niedrige und 177 Patienten die hohe Galcanezumabdosis (mittleres Alter: 43 Jahre, 83 % Frauen). Die mittlere Zahl der Migränetage pro Monat betrug 20. Triptane und NSAR wurden gleich häufig eingenommen.

Sowohl bei Patienten mit episodischer als auch mit chronischer Migräne reduzierte Galcanezumab die Zahl der Migränetage pro Monat signifikant stärker als Placebo. Bei der episodischen Migräne betrug die Reduktion der Migränetage pro Monat 2,7 für Placebo, 6,3 für die niedrige und 5,8 für die hohe Dosis von Galcanezumab. Bei Patienten mit chronischer Migräne wurden die Migränetage um 2,3 mit Placebo, 4,8 mit der niedrigen und 4,5 mit der hohen Galcanezumabdosis reduziert. Erfasst wurde auch, wie viele Patienten am Studienende noch die Kriterien für einen MO erfüllten. Der Rückgang der Zahl der Patienten mit MO zu nicht mehr MO betrug 64 % für Placebo, 85 % für die niedrige und 81 % für die hohe Dosis von Galcanezumab bei episodischer Migräne und 29 % beziehungsweise 47 % für chronische Migräne.

Schlussfolgerung: In einer Post-hoc-Analyse von drei Studien zur episodischen und chronischen Migräne führte Galcanezumab bei Patienten mit Kopfschmerz durch MO zu einer signifikant höheren Reduktion der Migränetage pro Monat als Placebo. Zwischen 50 und 85 % der Patienten erfüllten nach drei und sechs Monaten nicht mehr die Kriterien für einen MO.

Dodick DW, Doty EG, Aurora SK et al. Medication overuse in a subgroup analysis of phase 3 placebo-controlled studies of galcanezumab in the prevention of episodic and chronic migraine. Cephalalgia 2021: 41: 340-52