Fragestellung: Das systematische Review gibt eine Übersicht über Studien, die bei Patienten mit einem hohen Risiko einer bipolaren Störung die Effekte einer psychotherapeutischen und/oder pharmakologischen Intervention auf die Symptome oder auf eine Konversion zur bipolaren Störung untersucht haben.

Hintergrund: Bipolare Störungen beginnen in der Regel in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter mit zunächst unspezifischen Symptomen. Die genaue Diagnose wird meist erst nach dem Auftreten einer manischen Phase gestellt. Eine positive Familienanamnese gilt als wesentlicher Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer bipolaren Störung. Eine frühe spezifische Behandlung könnte die langfristige Prognose verbessern. Inwieweit es bei Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen schon vor der eigentlich gesicherten Diagnose durch eine erste manische Episode wirkungsvolle und gut verträgliche pharmakologische oder psychotherapeutische Optionen gibt, ist unklar.

Patienten und Methodik: In das systematische Review wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCT) und Kohortenstudien eingeschlossen, die eine psychotherapeutische und/oder pharmakologische Intervention bei Patienten mit einem hohen Risiko für die Entwicklung einer bipolaren Störung untersucht haben. Die Risikopopulation wurde definiert als Personen mit einer positiven Familienanamnese in Bezug auf eine bipolare Störung und/oder psychiatrische Symptome, oder Patienten mit psychiatrischen Symptomen, unabhängig von der Familienanamnese. Zielparameter waren Verbesserungen depressiver oder hypomanischer beziehungsweise maniformer oder anderer psychiatrischer Symptome am Ende der Interventionen, oder Konversionsraten in eine bipolare Störung.

Ergebnisse: Insgesamt erfüllten 16 Studien aus 19 Publikationen (8 RCT, 8 interventionelle Kohortenstudien) die Einschlusskriterien. Sechs Studien untersuchten pharmakologische, zehn Studien psychotherapeutische Interventionen. Pharmakologische Interventionen beinhalteten die Gabe von Valproat, Lithium, Aripiprazol, Quetiapin oder Omega-3-Fettsäuren. Es fanden sich keine akuten Effekte von Lithium auf depressive Symptome, für Valproat erbrachten zwei Studien gegensätzliche Ergebnisse, für Quetiapin und Omega-3-Fettsäuren gab es Hinweise auf eine Besserung depressiver Symptome sowie für Aripiprazol deutlichere Hinweise für eine Besserung diverser Symptome. Bei den Studien mit psychotherapeutischen Interventionen verbesserte MBCTC (Mindfulness Based Cognitive Therapy for Children) Ängste und Emotionsregulation, IFPEP (Individual Family Psychoeducational Therapy) depressive Symptome, IPSRT (Interpersonal and Social Rhythm Therapy) den Schlaf und die zirkadiane Rhythmik und FFT-HR (Family Focused Therapy High Risk Protocol) milderte depressive und maniforme Symptome.

Schlussfolgerung: Aufgrund der hohen Studienheterogenität war keine Metaanalyse möglich. Es ergaben sich Hinweise auf eine Wirksamkeit von Aripiprazol und verschiedene Psychotherapien.

Saraf G, Moazen-Zadeh E, Pinto JV et al. Early intervention for people at high risk of developing bipolar disorder: a systematic review of clinical trials. Lancet Psychiatry 2021; 8: 64-75