Fragestellung: Führt die Einnahme von Betablockern zu einem Parkinsonsyndrom?

Hintergrund: Beta-Adrenorezeptoren sind für viele Körperfunktionen wichtig und Ziel von verschiedenen Medikamenten, zum Beispiel bei der koronaren Herzerkrankung. Betablocker werden auch in der Behandlung neurologischer Erkrankungen angewendet, insbesondere in der Migräneprophylaxe und bei Patienten mit essenziellem Tremor. Es gibt sechs offene Studien, die zu dem Risiko Stellung nehmen, unter der Einnahme von Betablockern wie Propranolol parkinsonkrank zu werden. Demgegenüber zeigte eine andere Arbeit, dass das Risiko, parkinsonkrank zu werden, bei Einnahme eines Beta-Adrenorezeptoragonisten wie Salbutamol geringer war.

Patienten und Methodik: Es handelt sich um ein Review über die bisher zu diesem Thema vorliegende Literatur. Zum Beispiel wird auf Studien aus Israel hingewiesen, die unter der Einnahme von Betablockern ein erhöhtes Risiko zeigten, parkinsonkrank zu werden. Außerdem auf eine Studie aus den USA, die ergab, dass zwar Propranolol das Risiko erhöht, an Parkinson zu erkranken - nicht jedoch andere Betablocker. Bei Adjustierung für Tremor und Rauchen verpassten allerdings die Aussagen für Propranolol und Salbutamol knapp die entsprechende Signifikanz in eine positive oder negative Richtung. Auch eine dänische Studie zeigte, dass ausschließlich die Betablocker Propranolol und Metoprolol ein erhöhtes Risiko für Parkinson aufwiesen. Dies war insbesondere für eine kurzfristige Anwendung (weniger als ein Jahr) signifikant. Eine langjährige Verwendung von Beta-Adrenorezeptoragonisten (länger als drei Jahre) war dagegen mit einem fast halbierten Risiko assoziiert, parkinsonkrank zu werden. Ähnliches wurde für andere Medikamente beschrieben, die auch bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung verwendet werden, die wiederum mit Rauchen assoziiert ist.

Ergebnisse: Die Autoren entwickelten aufgrund der vorliegenden Studien mögliche Konzepte, welche die epidemiologische Assoziation von Beta-Adrenorezeptoragonisten und -antagonisten mit dem Risiko verknüpfen, parkinsonkrank zu werden. So diskutieren sie einen wirklichen kausalen Zusammenhang, wonach die Medikamente molekulare Mechanismen auslösen, die dann das Entstehen einer neurodegenerativen Erkrankung fördern könnten. Eine reverse Kausalität könnte darin liegen, dass ein Tremor prädiagnostisch für eine Parkinsonerkrankung ist und somit der notwendige Einsatz von Medikamenten zu falschen Schlussfolgerungen führen könnte. Eine indirekte Assoziation wäre zum Beispiel der Nikotingenuss, der zu chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung führt, was wiederum den Einsatz von Beta-Adrenorezeptoragonisten bedingt oder die Spekulation, dass möglicherweise Nikotin vor einer Parkinsonerkrankung schützt. Selbst wenn der Effekt von Beta-Adrenorezeptorantagonisten kausal für das Entstehen einer Parkinsonerkrankung wäre, wäre es im Vergleich zu anderen Risiken gering und würde in etwa auf einer Stufe mit einer Pestizidexposition stehen.

Die Autoren gehen davon aus, dass das geschätzte Risiko, untre der Behandlung mit Beta-Adrenorezeptorantagonisten parkinsonkrank zu werden, einen Fall auf 10.000 Medikamentenanwender nach fünf Jahren Propranololeinnahme ausmacht. Dies würde damit einer sehr seltenen Nebenwirkung entsprechen. Somit wäre es nicht sinnvoll, Patienten, die Beta-Adrenorezeptorantagonisten benötigen, diese wichtige Medikation vorzuenthalten.

Ähnlich müssten 50.000 Menschen über einen Zeitraum von fünf Jahren mit Salbutamol behandelt werden, um eine Parkinsonerkrankung bei einem Patienten zu vermeiden. Somit wäre aus Sicht der Autoren auch die Etablierung von neuroprotektiven Studien unter Salbutamol nicht weiter sinnvoll.

Schlussfolgerung: Aufgrund des offensichtlich sehr geringen Risikos, unter Betablockern parkinsonkrank zu werden, sollte der Einsatz dieser wichtigen Medikamente keinesfalls limitiert werden.

Hopfner F, Jöglinger GU, Kuhlenbäumer G et al. Β-adrenoreceptors and the risk of Parkinson΄s disease. Lancet Neurol 2020;19:247-54