Fragestellung: Beeinflusst Pantoprazol als Prophylaxe stressbedingter gastrointestinaler Ulcera die Mortalität bei Intensivpatienten?

Hintergrund: Protonenpumpeninhibitoren (PPI) finden im intensivmedizinischen Setting breiten Einsatz zur Prophylaxe stressbedingter gastrointestinaler Ulcera, sind für diese Behandlung jedoch nicht zugelassen. Die Evidenz dafür ist niedrig. Auch wurde über etwaige Nebenwirkungen (Infektion mit Clostridium difficile, Pneumonie, Myokardinfarkt) berichtet.

Patienten und Methodik: Patienten mit Risiko für gastrointestinale Blutungen wurden während ihres Aufenthaltes auf einer Intensivstation in sechs verschiedenen Ländern eingeschlossen. Im randomisiert-kontrollierten Studiendesign wurden 1.645 Patienten der Interventionsgruppe (Pantoprazol 40 mg/Tag) und 1.653 Patienten der Kontrollgruppe zugewiesen. Primärer Endpunkt war die Mortalität nach 90 Tagen, sekundärer Endpunkt die Kombination aus klinisch relevanten Ereignissen (gastrointestinale Blutung, Infektion oder Myokardinfarkt).

Ergebnisse: Es zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich der Mortalität nach 90 Tagen (Pantoprazol: 31,1 % vs. Placebo: 30,4 %; Relatives Risiko (RR): 1,02, 95 %-Konfidenzintervall (KI): 0,91 – 1,13]; p = 0,76), der Rate an klinisch relevanten Ereignissen (21,9 % vs. 22,6 %; RR: 0,96, 95 %-KI: 0,83 – 1,11) oder der Infektionen (16,8 % vs. 16,9 %; RR: 0,99, 95 %-KI: 0,84 – 1,16). In der Pantoprazolgruppe traten bei 2,5 % der Patienten und in der Kontrollgruppe bei 4,2 % der Patienten relevante gastrointestinale Blutungen auf (RR: 0,58, 95 %-KI: 0,40 – 0,86).

Schlussfolgerungen: Diese multizentrische Studie konnte für die prophylaktische Gabe von Pantoprazol keine Unterschiede hinsichtlich der Mortalität und der Rate klinisch relevanter Ereignisse nachweisen, was gegen eine routinemäßige prophylaktische Anwendung von PPI bei Intensivpatienten spricht.

Kommentar von Hagen B. Huttner, Erlangen

„Magenschutz“ hat bei Intensivpatienten weiterhin einen Stellenwert

Der Einsatz von PPI zur Prophylaxe gastrointestinaler Ulcera und damit lebensbedrohlicher Blutungen wird von einigen Leitlinien empfohlen und findet in der intensivmedizinischen Behandlung breiten Einsatz. Die vorliegende SUP-ICU-Studie (Stress Ulcer Prophylaxis in the Intensive Care Unit) untersuchte im multizentrischen, randomisierten Studiendesign den Nutzen sowie mögliche Nebenwirkungen (Infektion mit Clostridium difficile, Pneumonie, Myokardinfarkt) dieser teils umstrittenen Off-Label-Anwendung und demonstriert, dass der prophylaktische Einsatz von Pantoprazol keine Auswirkungen auf die Mortalität von Intensivpatienten hat, weshalb der routinemäßige PPI-Einsatz reevaluiert werden sollte. Andererseits zeigte eine Anfang dieses Jahres erschienene Metaanalyse von 57 Studien und 7.293 Patienten jedoch eine deutliche Reduktion gastrointestinaler Blutungen durch eine prophylaktische Therapie mittels PPI.

Auch in der SUP-ICU-Studie bestand eine reduzierte Rate an gastrointestinalen Blutungen (wenngleich die Teststärke nicht ausreichend war). Überträgt man die Daten in eine Number Needed to Treat, müssten 59 Intensivpatienten prophylaktisch mit Pantoprazol behandelt werden, um eine klinisch relevante gastrointestinale Blutung zu verhindern. Bei vergleichbarer Rate an klinisch relevanten Ereignissen und nahezu identischer Rate an Infektionen sollten PPI bei Intensivpatienten mit hohem Risiko für gastrointestinale Ulcera durchaus angewendet werden. Unklar bleibt darüber hinaus jedoch die Relevanz und Auswirkung einer enteralen Ernährung. Zusammenfassend zeigt die SUP-ICU-Studie keine Mortalitätsreduktion durch Pantoprazol, wenn dieses als routinemäßige Prophylaxe gastrointestinaler Ulzera bei Intensivpatienten eingesetzt wird. Allerdings sollten die Studienergebnisse vorsichtig auf die intensivmedizinische Patientenversorgung übertragen werden. Ein „Magenschutz“ hat weiterhin insbesondere bei Hochrisikopatienten für gastrointestinale Ulcera einen berechtigten Stellenwert.

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Prof. Dr. med. Hagen B. Huttner, Erlangen