Fragestellung: Es wurde die Wirksamkeit antipsychotischer Medikation bei intensivpflichtigen Delirpatienten geprüft.

Hintergrund: Das nicht alkoholische Delir ist die häufigste Manifestation einer akuten Hirnfunktionsstörung während einer schweren Erkrankung. Bis zu 75 % der Patienten, die auf einer Intensivstation beatmet werden, sind betroffen. Bei Patienten mit Delir sind Sterblichkeit, Beatmungsdauer, Krankenhausverweildauer, das Risiko für kognitive Langzeitbeeinträchtigungen und Kosten erhöht. Zudem führt ein hyperaktives Delir oft zu Entfernungen von Geräten durch Patienten, während ein hypoaktives Delir Pflege- und Physiotherapie erschwert.

Haloperidol wird häufig zur Behandlung eines hyperaktiven Delirs auf der Intensivstation verwendet. Umfragen zufolge wird das Medikament auch zur Behandlung des hypoaktiven Delirs eingesetzt, obwohl zwei kleine randomisierte Studien keinen Hinweis auf eine kürzere Behandlungsdauer auf der Intensivstation durch Haloperidol als durch Placebo ergaben. Auch atypische Antipsychotika wie Ziprasidon werden in dieser Indikation eingesetzt. Eine placebokontrollierte Studie legte einen Nutzen nahe, eine andere zeigte dagegen keinen Vorteil. Metaanalysen und Richtlinien für das Delirmanagement auf der Intensivstation fehlen.

Patienten und Methodik: Die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie randomisierte 1.183 Patienten mit akuter Ateminsuffizienz (oder Schock) und hypo- oder hyperaktivem Delir, die entweder mit Haloperidol oder mit Ziprasidon behandelt wurden. Die Beurteilung erfolgte mit der Confusion Assessment Methode (CAM-ICU). Der primäre Endpunkt war die Anzahl der Tage ohne Delir oder Koma während der 14-tätigen Interventionsdauer. Sekundäre Endpunkte waren die Überlebensrate nach 30 und 90 Tagen, fehlende Notwendigkeit mechanischer Beatmung und die Zeit bis zur Entlassung aus der Intensivstation beziehungsweise dem Krankenhaus.

Ergebnisse: Nur 22 % der 20.914 gescreenten Patienten konnten eingeschlossen werden (Demenz war das häufigste Ausschlusskriterium), weitere 74 % lehnten eine Studienteilnahme ab. Ein Delir entwickelte sich bei 566 (48 %) Patienten (Durchschnittsalter etwa 60 Jahre), 89 % der Delirien waren hypoaktiv. 184 Patienten erhielten Placebo, 192 Haloperidol und 190 Ziprasidon über vier Tage. Die Dauer ohne Delir oder Koma betrug im Median 8,5 Tage mit Placebo, 7,9 mit Haloperidol und 8,7 mit Ziprasidon. Auch bei anderen Parametern ergab sich kein Unterschied.

Schlussfolgerung: Haloperidol oder Ziprasidon bewirken im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit akuter Ateminsuffizienz oder Schock bei hypo- oder hyperaktivem Delir auf der Intensivstation keine relevante Veränderung.

Kommentar von Markus Weih, Nürnberg

Für Haloperidol bleibt eine Nische, nicht aber für Ziprasidon

Holla! Die MIND-USA-Studie ist geeignet, einige gängige medizinische Konzepte über den Haufen zu werfen. Haloperidol hat sich nicht nur als potentes Antipsychotikum bewährt, sondern wird in quasi allen Leitlinien für die Behandlung unruhiger Delirpatienten auf der Intensivstation empfohlen. Die Evidenz dafür steht jedoch auf wackeligen Beinen, die zugehörigen Studien sind alt und schlecht. Das wichtigste Argument ist aber, dass durch Haloperidol nur die „Plus-Symptome“ behandelt werden. Da die Negativsymptomatik oft das größere Problem darstellt und es mittlerweile moderne Atypika gibt, die viele Intensivstationen einsetzen, war eine Überprüfung der gängigen Praxis längst überfällig. Dass das Ergebnis nun negativ ist, war angesichts kleinerer Vorstudien nicht gänzlich überraschend. Was sagt uns die Studie nun? Zunächst einmal, dass die unruhigen Patienten in der Minderzahl sind. Der Effekt von unruhedämpfenden Substanzen und selbst einer eher akivierenden Substanz wie Ziprasidon wird in dieser schwer kranken Population aber schwierig zu messen sein. Auch sind 60-jährige Patienten mit einer Ateminsuffizienz (wie in der Studie) nicht mit 80-jährigen Patienten, zum Beispiel auf einer unfallchirurgischen Station, zu vergleichen.

Ein klares psychotisches Delir mit Halluzinationen oder Wahn, oder ein Patient, der sich durch Unruhe selbst gefährdet, kann natürlich weiter mit Haloperidol behandelt werden. Für Ziprasidon gibt es nach dieser Studie aber keine Evidenz.

Zum Bedauern der Krankenhausverwaltung hat es sich ja auch herumgesprochen, dass vor allem nicht medikamentöse, aber personalintensive (high touch statt high tech) Maßnahmen mit geringem Risiko bei Delir angewendet werden können. Erst wenn diese ausgeschöpft sind und die seltenere hyperaktive Delirform vorliegt, sollte Haloperidol weiter eingesetzt werden.

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Prof. Dr. med. Markus Weih, Nürnberg