Fragestellung: Sollte vor einer mechanischen Thrombektomie bei Patienten mit Verschlüssen der A. carotis interna oder der proximalen A. cerebri media eine systemische Thrombolyse erfolgen?

Hintergrund: Durch eine Vielzahl von Studien ist belegt, dass die mechanische Thrombektomie bei Patienten mit schwerem Schlaganfall und Verschlüssen der distalen A. carotis interna oder proximalen A. cerebri media die Prognose deutlich verbessert. Das Zeitfenster wurde mittlerweile auf 24 Stunden ausgedehnt. Meist erfolgt vor der Thrombektomie eine intravenöse Thrombolyse.

Patienten und Methodik: Es handelt sich um eine nachträgliche Auswertung der ASTER-Studie, die einen Aspirationskatheter mit einem Stent-Retriever für die Revaskularisation von Patienten mit Verschlüssen der großen Arterie der vorderen Zirkulation untersuchte. Primärer Endpunkt war der funktionelle Outcome (geringe Beeinträchtigung ≤ 2), gemessen mit der modifizierten Rankin-Skala nach 90 Tagen. Sekundäre Endpunkte waren die erfolgreiche Reperfusion, sowie die 90-Tage-Mortalität und die Zahl symptomatischer intrazerebraler Blutungen.

Ergebnisse: Die Studie schloss insgesamt 381 Patienten ein, die im Mittel 70 Jahre alt waren. Die Schwere des Schlaganfalls, gemessen mit der NIHSS-Skala, betrug 17,5. Bei 70 % der Patienten lag ein M1-Verschluss der A. cerebri media vor. Bei 250 Patienten erfolgte eine systemische Thrombolyse vor der Thrombektomie. Es ergaben sich im Hinblick auf den funktionellen Outcome und die Reperfusionsrate keine signifikanten Unterschiede zwischen der Gruppe, die Thrombolyse plus mechanische Thrombektomie erhielt, und der Gruppe mit alleiniger mechanischer Thrombektomie. Auch die Schwere des Schlaganfalls nach 24 Stunden und die Blutungskomplikationen waren nicht unterschiedlich. Die 90-Tage-Mortalität war allerdings in der Kombinationstherapie-Gruppe um 40 % niedriger als in der Gruppe mit alleiniger Thrombektomie. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. In einer Untergruppe von Patienten, die zum Zeitpunkt des Schlaganfalls nicht antikoaguliert waren, führte die Kombinationstherapie zu einem besseren funktionellen Outcome, einer höheren Rate erfolgreicher Rekanalisationen und einer geringeren Sterblichkeit.

Schlussfolgerung: Bei Patienten mit schweren Schlaganfällen und Verschlüssen der großen hirnversorgenden Arterien in der vorderen Zirkulation reduziert die Kombination einer intravenösen Thrombolyse mit mechanischer Thrombektomie die Sterblichkeit, verglichen mit einer alleinigen Thrombektomie.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Ergebnisse mit Vorsicht betrachten

Die Ergebnisse dieser Studie müssen mit Vorsicht betrachtet werden, da die Patienten der Kombinationstherapie beziehungsweise der alleinigen mechanischen Thrombektomie nicht randomisiert zugeteilt wurden. Es bleibt schwer verständlich, dass in der Kombinationsgruppe die Mortalität geringer war, obwohl der funktionelle Outcome und die Blutungsrate identisch waren. Es muss angenommen werden, dass die Patienten, bei denen keine Thrombolyse durchgeführt wurde, entweder zu alt waren, Komorbiditäten aufwiesen oder andere Kontraindikationen hatten. So waren beispielsweise Patienten, die nur eine Thrombektomie erhielten, älter und hatten häufiger eine vorbestehende antithrombotische Prophylaxe. Dies könnte auch erklären, warum bei nicht antikoagulierten Patienten die Kombinationstherapie erfolgreicher als die Monotherapie war.