Fragestellung: Besteht ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Depressionen, Angststörungen und Autoimmunthyreoiditis (AIT) sowie verwandten Hypothyreosen?

Hintergrund: Schilddrüsenfunktionsstörungen gelten als Risikofaktor für das Auftreten von Depressionen und Angststörungen. Eine quantitative Analyse der bestehenden Forschung zu diesen Zusammenhängen fehlte jedoch bislang. Die Autoren hypothetisierten für ihre Metaanalyse eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit für Depressionen und Angststörungen bei Vorliegen einer Hypothyreose.

Patienten und Methodik: Es handelte sich um eine Metaanalyse mit Literaturrecherche nach den PRISMA-Leitlinien mit Einschluss von insgesamt 36.174 Probanden aus 19 Fall-Kontroll- und Kohortenstudien. Das Suchkriterium der AIT beinhaltete auch latente und manifeste Hypothyreosen unklarer Ursache. Die Diagnose der Depressionen und Angststörungen basierte vordergründig auf (Selbst-)Fragebögen.

Ergebnisse: Studienteilnehmer mit Schilddrüsenfunktionsstörungen zeigten signifikant höhere Scores in den Instrumenten zur Erfassung der Depression (Odds Ratio [OR]: 3,56, 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 2,14 – 5,94) und Angststörungen (OR: 2,32, 95 %-KI: 1,40 – 3,85) als Probanden ohne Schilddrüsenfunktionsstörungen; sie wiesen somit erhöhte Risiken zur Entwicklung dieser psychiatrischen Erkrankungen auf. Das Alter stellte einen signifikanten Mediator des Zusammenhangs zwischen AIT und Schwere der Depressivität dar. Die Heterogenität der erfassten Studien war sehr hoch.

Schlussfolgerungen: Die Prävalenzen von Depressivität und Angststörungen bei Vorliegen einer AIT sind hoch. Dies sollte sowohl in der Behandlung psychischer Störungen als auch von Schilddrüsenfunktionsstörungen beachtet werden.

Kommentar von Frank M. Schmidt, Leipzig

Überzeugende Zahlen, aber methodisch mit Optimierungspotenzial

Der in der klinischen Praxis zuvor schon berücksichtigte starke Zusammenhang zwischen Schilddrüsenfunktionsstörungen, Depressionen und Angststörungen wurde in der vorliegenden Arbeit nun erstmals metaanalytisch nachgewiesen. Als Konsequenz der Ergebnisse fordern die Autoren zu Recht bei Vorliegen einer AIT die frühzeitige Prüfung auf eine komorbide psychische Störung, die Aufklärung über das erhöhte Risiko der Entwicklung einer Depression und/oder Angststörung, die konsequente Schilddrüsenbehandlung mit Levothyroxin und Selen sowie eine frühzeitige Behandlung mit SSRI, nicht aber trizyklischen Antidepressiva. Die Diagnostik einer AIT bei psychiatrischen Patienten sollte nicht auf die Analyse von TSH und T3/T4 begrenzt werden, sondern auch bei unauffälligen Werten die Thyreoperoxidase-Antikörper beinhalten.

Den Schlussfolgerungen mag man zustimmen, auch wenn sie einiger Anmerkungen bedürfen: Die vermeintliche Diagnose der Depression wurde mittels Selbst- und Fremdfragebögen erstellt, die zur aktuellen Schweregradbeurteilung, nicht aber zur Diagnosestellung und zur Beurteilung des Längsschnittverlaufs geeignet sind. Patienten mit bipolarer Störung könnten demnach eingeschlossen worden sein, aktuell asymptomatische Patienten mit rezidivierender Depression jedoch ausgeschlossen.

Die Diagnose der Angststörungen wird nicht weiter differenziert. Unsicherheit für die Konsequenz in der klinischen Praxis entsteht auch durch die verschiedenen eingeschlossenen und nicht weiter differenzierten Schilddrüsenfunktionsstörungen — verfährt man anders bei Euthyreose, latenter oder manifester Hypothyreose, oder bei gesicherter im Gegensatz zu nur angenommener zugrundeliegender Autoimmunerkrankung? Dementsprechend sind die Zahlen für die Heterogenität zwischen den Studien hoch und zumindest für die Depression muss von einer Verzerrung der tatsächlichen Ergebnisse durch einen Publikationsbias ausgegangen werden.

Zusätzlich könnte die Verwendung eines Random-Effects-Modells dazu geführt haben, dass die negativen Ergebnisse einer epidemiologischen Studie, die immerhin 85 % der Studienteilnehmer der Metaanalyse ausmacht, nicht stärker ins Gewicht fallen. Studien, die sich dieser Kritikpunkte annehmen, werden benötigt, um den Zusammenhang zwischen AIT und Depression/Angststörungen weiter zu untermauern. Die vorliegenden Befunde motivieren aber schon jetzt, diese Interaktionen in der somatischen und psychiatrischen Behandlung verstärkt zu berücksichtigen.

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Priv.-Doz. Dr. med. Frank M. Schmidt, Leipzig