Fragestellung: Kann eine selbstständig durchgeführte, computerbasierte Benenntherapie, die zusätzlich zur Routine der Sprachtherapie durchgeführt wird, bei Patienten mit chronischer Aphasie nach Schlaganfall (mehr als vier Monate nach dem Ereignis) die Wortfindung und die funktionelle Kommunikation (primär) und die Teilhabe (sekundär) verbessern?

Hintergrund: Etwa ein Drittel aller Schlaganfallpatienten leiden an einer Aphasie, die in etwa 40 % der Fälle persistiert. Diese chronische Aphasie beeinträchtigt die berufliche Reintegration, Sozialbeziehungen sowie die Lebensqualität und führt zu hohen Kosten im Gesundheitswesen. In der chronischen Phase lassen sich alltagsrelevante Verbesserungen erzielen, allerdings nur durch intensives Training mit mindestens fünf Stunden pro Woche, was oft nicht möglich ist.

Patienten und Methodik: Die Autoren untersuchten in einem dreiarmigen, einfach verblindeten Parallelgruppendesign, ob ein computerbasiertes Benenntraining über sechs Monate zusätzlich zur Routine-Sprachtherapie zu einer signifikant stärkeren Benennleistung sowie besserer funktioneller Kommunikation führte. Weitere Zielparameter betrafen Teilhabe und Kosteneffektivität. Die Kontrollbedingungen umfassten die Routine-Sprachtherapie sowie die Routinebehandlung zusätzlich zu einer nicht sprachlichen Therapie.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 278 Patienten in die Studie eingeschlossen (97 erhielten intensives Benenntraining plus Routinebehandlung, 101 nur Routinebehandlung, 80 nicht sprachliche Kontrolltherapie plus Routinebehandlung). Das computerbasierte Benenntraining wurde mit einer Intensität von im Median 3,5 Stunden pro Monat appliziert. Nach sechs Monaten zeigte sich eine Verbesserung im Benennen von 16,4 % in der Benenntrainings-, 1,1 % in der Routine- und 2,4 % in der Kontrollgruppe, und damit eine signifikant bessere Benennleistung in der Benenntrainingsgruppe (p < 0,0001). Die funktionelle Kommunikation verbesserte sich dagegen nur minimal und in den Gruppen ähnlich stark. Auch die Ergebnisse für die Teilhabe (Eigenwahrnehmung des Patienten bezüglich der Kommunikation, soziale Partizipation, Lebensqualität) waren vergleichbar. Eine gesundheitsökonomische Analyse ergab keinen Hinweis auf die Kosteneffektivität des zusätzlichen computerisierten Benenntrainings.

Schlussfolgerung: Computerisiertes Benenntraining zusätzlich zur Routine-Sprachtherapie kann zwar das Benennen signifikant verbessern, dies führt aber nicht zu einer verbesserten funktionellen Kommunikation.

Kommentar von Agnes Flöel, Greifswald

Viele Ansatzpunkte für künftige Studien

Die Studie besticht zunächst durch ihre hohe methodische Qualität, die Generalisierbarkeit durch das naturalistische Setting, und die repräsentative Rekrutierung von Patienten mit Aphasie aus dem ambulanten Bereich. Die Zielparameter erfassen die geforderten Bereiche von Körperfunktionen, Aktivitäten und Teilhabe. Leider konnte aber kein Einfluss auf das tägliche Leben (funktionelle Kommunikation), die soziale Teilhabe und die Lebensqualität gezeigt werden.

Woran liegt es? Zum einen könnte ein reines Benenntraining eben doch zu kurz greifen; dafür spricht, dass eine ebenfalls methodisch hochwertige Studie eine signifikante Verbesserung der funktionellen Kommunikation zeigen konnte [1]; in dieser Studie wurden kognitive, linguistische, und kommunikativ-pragmatische Ansätze sowie computerisiertes Training kombiniert. Ob ein komplexeres computerisiertes Training die funktionelle Kommunikation verbessern kann, muss in künftigen Studien untersucht werden. Auch die Kombination eines computerisierten Benenntrainings mit adjuvanten Therapien wie der nicht invasiven Hirnstimulation könnte die Wirkung erhöhen, wie eigene Studien nahelegen [2]. Außerdem darf die banalste Erklärung der fehlenden Auswirkung auf die funktionelle Kommunikation nicht unerwähnt bleiben: Mit im Mittel dreieinhalb Stunden pro Monat blieb das Benenntraining weit unter den für Verbesserungen als notwendig angesehenen fünf Wochenstunden.

In jedem Fall konnten Palmer et al. zeigen, dass eine verbesserte Benennleistung nicht automatisch die Aktivität und Teilhabe verbessert. Ob letzteres durch höherfrequentes und/oder komplexeres computerisiertes Sprachtraining und/oder adjuvante Therapien erreicht werden kann, bleibt zu klären.

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Prof. Dr. med. Agnes Flöel, Greifswald