Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen körperlicher Inaktivität, kardiometabolischen Erkrankungen und dem Risiko einer Demenz?

Hintergrund: Eine Vielzahl von epidemiologischen Studien hat den Zusammenhang zwischen Lebensstil- und Risikofaktoren für vaskuläre Erkrankungen einerseits sowie der Entwicklung einer Demenz oder einer Alzheimererkrankung untersucht. Bei den meisten Studien fand sich ein Zusammenhang zwischen körperlicher Inaktivität und einem erhöhten Demenzrisiko. In epidemiologischen Studien besteht das Problem, dass eine beginnende Demenz mit verminderter körperlicher Aktivität assoziiert ist und so ein „reverse Bias“ in die epidemiologischen Studien eingeht. Ob dieser Zusammenhang eine Rolle spielt, sollte jetzt in einer großen epidemiologischen Studie untersucht werden.

Patienten und Methodik: In die Metaanalyse gingen 19 prospektive Kohortenstudien ein, bei denen Informationen zur Entwicklung einer Demenz, einer Alzheimererkrankung, eines Diabetes mellitus, einer koronaren Herzerkrankung (KHK) oder eines Schlaganfalls vorlag. In den entsprechenden Registern musste auch die regelmäßige körperliche Aktivität oder Inaktivität erfasst sein. Als körperlich inaktiv wurden Person eingestuft, die weniger als eine halbe Stunde pro Woche körperlich aktiv waren.

Ergebnisse: Die Studienpopulation umfasste 404.840 Personen mit einem mittleren Alter von 45 Jahren (58 % Frauen). Bei allen Studienteilnehmern wurde zum Zeitpunkt des Registereinschlusses eine Demenz ausgeschlossen. Die Demenzdiagnose stützte sich auf die Angaben in elektronischen Krankenakten. Die mittlere Beobachtungszeit betrug 15 Jahre. 40 % der Studienteilnehmer berichteten, dass sie keine körperliche Aktivität ausübten. Für die ersten zehn Jahre der Beobachtungszeit fand sich ein erhöhtes Risiko für demenzielle Erkrankungen in Zusammenhang mit körperlicher Inaktivität. Die Odds Ratio (OR) für Demenz betrug 1,40 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,23–1,17 und für die Alzheimererkrankung 1,36 (95%-KI 1,12–1,65). Dieser Zusammenhang war nicht mehr nachweisbar, wenn ein Zeitraum von mehr als zehn Jahren verfolgt wurde. Hier betrug die OR nur noch 1,01 und 0,96. Körperliche Inaktivität war aber über den gesamten Studienzeitraum mit dem Neuauftreten eines Diabetes mellitus (OR 1,42), einer KHK (OR 1,24) und Schlaganfall (OR 1,16) assoziiert. Bei Studienteilnehmern, bei denen kardiometabolische Erkrankungen vor einer Demenz auftraten, war körperliche Inaktivität nicht mit einer Demenz assoziiert.

Schlussfolgerungen: In der großen epidemiologischen Studie ergibt sich nur für die ersten zehn Jahre der Beobachtung ein Zusammenhang zwischen körperlicher Inaktivität und dem erhöhten Risiko demenzieller Erkrankungen. Die Tatsache, dass dies bei einem Beobachtungszeitraum von mehr als zehn Jahren nicht mehr nachzuweisen ist, spricht für einen „reverse Bias“, das heißt die Tatsache, dass Personen, bei denen eine Demenz auftritt, weniger körperlich aktiv sind.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Körperliche Aktivität bleibt Bestandteil der Demenzprävention

Die Studie im British Medical Journal hat große Aufmerksamkeit in der Presse gefunden. Leider haben die meisten Journalisten nur die eine Hälfte der Studie zitiert, nämlich die, welche vermeintlich keinen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und der Verhinderung einer Demenz gefunden hat. Betrachtet man die Studie genauer, dann sieht man, dass es einen Einfluss der Beobachtungsdauer auf die Studienergebnisse gibt. Dies hängt damit zusammen, dass bei einer beginnenden Demenz die körperliche Aktivität eingeschränkt wird. Es besteht allerdings ein eindeutiger Zusammenhang zwischen körperlicher Inaktivität, dem Risiko eines Diabetes mellitus, einer koronaren Herzerkrankung (KHK) und eines Schlaganfalls. Da sowohl Diabetes wie auch kardiovaskuläre Erkrankungen Risikofaktoren für eine Demenz sind, sollten diese konsequent behandelt werden. Es besteht hier allerdings Einigkeit in epidemiologischen Studien, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Auftreten und die Verschlechterung eines Diabetes mellitus, einer KHK oder eines Schlaganfalls positiv beeinflusst. Die Studie hat eine Reihe von schwerwiegenden methodischen Problemen. Die Diagnose einer Demenz stützt sich auf elektronische Krankenakten, wobei seit langem bekannt ist, dass diese Akten für körperliche Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sehr zuverlässig sind, aber nicht für die Diagnose einer beginnenden Demenz beziehungsweise kognitive Einschränkungen. Hinzu kommt, dass eine ganze Reihe von Begleitfaktoren wie beispielsweise Nierenerkrankungen oder andere Lebensstilfaktoren nicht berücksichtigt wurden. Die Studienergebnisse sollten auf keinen Fall Anlass sein, derzeitige Empfehlung zur Prävention der Demenzen aufzuheben, nämlich dass im Rahmen eines multifaktoriellen Ansatzes regelmäßige körperliche Betätigung empfohlen wird.