Fragestellung: Ist bei Männern eine Therapie mit Testosteron in der Lage, depressive Symptome zu reduzieren? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle und wie sicher ist diese Therapieoption?

Hintergrund: Testosteron, das männliche Sexualhormon, wirkt als Steroidhormon auch im Zentralen Nervensystem (ZNS) und beeinflusst dort unter anderem Affekt und Appetenzverhalten. Verschiedene Vorstudien konnten zeigen, dass eine Behandlung mit Testosteron die serotoninerge Neurotransmission erhöht und die Neuroplastizität im Hippocampus stimuliert. Diese Prozesse sind auch bei den klassischen Antidepressiva von großer Bedeutung. Aufgrund einer nicht einheitlichen Studienlage zu diesen Fragen und vielen möglichen Bias-Quellen kann bisher keine generelle Empfehlung zur antidepressiven Therapie mit Testosteron gegeben werden.

Patienten und Methodik: Die Autoren untersuchten in dieser systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse die Effektivität, die Wirksamkeit, die Verträglichkeit und die relevanten Einflussfaktoren einer antidepressiven Therapie mit Testosteron bei Männern gegenüber Placebo. Insgesamt wurden 469 Publikationen analysiert und 27 Studien (n = 1.890 Männer) in die vorliegende Metaanalyse eingeschlossen. Die aufgenommenen Studien wurden intensiv auf mögliche Bias-Quellen hin untersucht (Cochrane Collaboration Risk of Bias toll und Jadad-Score).

Ergebnisse: Die Auswertung ergab einen statistisch signifikanten, antidepressiven Effekt von Testosteron. Die Effektstärke von 0,21 (Hedges g) offenbarte einen kleinen Therapieeffekt. Dieser entsprach ungefähr einer Reduktion des Beck Depression Inventory (BDI)-II um 2,2 Punkte. Die Untersuchung konnte außerdem zeigen, dass in Bezug auf eine Reduktion depressiver Symptome um > 50 % die Testosteronbehandlung der Placebobehandlung überlegen war (Odds Ratio = 2,30). In den untersuchten Studien konnte kein Unterschied in Bezug auf die Verträglichkeit festgestellt werden. Als wichtige Einflussfaktoren einer erfolgreichen antidepressiven Therapie mit Testosteron konnten eine höhere Testosterondosis und geringe Symptomvarianz zu Studienbeginn gefunden werden. Nur einen geringen Einfluss hatten ein höheres Alter, der Testosteronspiegel und das Ausmaß der Depressivität zu Studienbeginn, eine HIV-Infektion, die Behandlungsdauer und die Art der Testosteronapplikation.

Schlussfolgerungen: Die Autoren der Studie folgern, dass Testosteron eine effektive, antidepressive Behandlungsstrategie für Männer darstellt — unabhängig vom Alter und von der Gonadenfunktion. Kritisch ist die unzureichende Studienlage bezüglich einer Langzeittherapie. Eine ausreichende Evidenz für die Sicherheit dieser Therapieoption ist noch nicht hinreichend gegeben.

Kommentar von David Herzog, Mainz

Eine Behandlung mit Testosteron kann aktuell nicht empfohlen werden

Eine Behandlung mit dem Steroidhormon Testosteron ist eine diskutierte Behandlungsoption bei Männern mit depressiver Symptomatik. Bisher empfehlen die internationalen Leitlinien diese Therapiestrategie nicht. Die Gründe hierfür sind eine unzureichende Evidenz zur Wirksamkeit mit teilweise widersprüchlichen Studienergebnissen und einem unklarer Nebenwirkungs- und Sicherheitsprofil, insbesondere im Hinblick auf eine längerfristige Therapie mit Testosteron.

Die vorliegende Metaanalyse konnte zeigen, dass Testosteron einen leichten (Hedges g = 0,2) antidepressiven Effekt hat. Weder das Alter, noch die Gonadenfunktion vor Therapiebeginn scheinen eine große Rolle in Bezug auf die Effektivität dieser Therapieoption zu spielen. Einschränkend muss jedoch festgestellt werden, dass unter den eingeschlossenen Studien jene mit höchster Studienqualität (Jadad Score 5) eher keine Überlegenheit der Testosteronbehandlung gegenüber der Placebokontrolle zeigen konnten. Die geringe Effektstärke dieser Behandlungsoption und die weiterhin unzureichende Evidenzlage der Verträglichkeit und Sicherheit — insbesondere in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse — lassen eine generelle Empfehlung oder Aufnahme in die Depressions-Leitlinie nicht zu. Hier sind große klinische Studien von hoher Qualität notwendig.

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Dr. med. David Herzog, Mainz