Fragestellung: Wie sind die Langzeitergebnisse der multimodalen Behandlung bei Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), wenn Gruppenpsychotherapie mit der Standardbehandlung und Methylphenidat (MPH) mit Placebo verglichen wird?

Hintergrund: Obwohl in Leitlinien eine multimodale Behandlung bei ADHS empfohlen wird, gibt es kaum Hinweise auf ihre Langzeitwirkung bei Erwachsenen. Es fehlen insbesondere Studien, die die Langzeitwirksamkeit von Interventionen untersuchen, bei denen Psychotherapie und Stimulanzien placebokontrolliert miteinander verglichen werden. Aufgrund des Mangels an langfristigen Follow-up-Daten sind die Ergebnisse für die gruppenbasierte kognitive Verhaltenspsychotherapie (GPT) kombiniert mit Pharmakotherapie nur begrenzt generalisierbar. Darüber hinaus wurde die Evidenzqualität in einem Cochrane Review 2018 als schlecht bewertet. Nach unserer Kenntnis ist COMPAS die erste und bislang größte multizentrische randomisierte klinische Studie, in der die Auswirkungen von GPT mit der klinischen Standardbehandlung (CM) in Kombination mit MPH oder Placebo bei Erwachsenen mit ADHS über einen Behandlungszeitraum von einem Jahr untersucht wird. Zur Beurteilung der Langzeitwirkungen einer multimodaler Behandlung wurden die Teilnehmer an der COMPAS-Studie 1,5 Jahre nach Beendigung der Interventionen erneut untersucht.

In der Kernstudie zeigten alle Behandlungsarme eine Verbesserung der ADHS-Symptome. MPH in Kombination mit GPT oder CM ergab bessere Ergebnisse als Placebo in Bezug auf den primären Endpunkt (Conners-ADHS-Ratingskala) nach zwölf Wochen intensiver Behandlung und während der Erhaltungsphase nach einem Jahr.

GPT war gegenüber CM signifikant mit besseren Ergebnissen auf der Clinical Global Impression (CGI) assoziiert. Es gibt Hinweise auf eine möglicherweise über mehrere Monate anhaltende Wirkung von MPH nach Absetzen bei Erwachsenen. Psychologische Interventionen sind Teil umfassender Behandlungsprogramme für ADHS. Es fehlen jedoch Hinweise auf dauerhafte Auswirkungen.

Patienten und Methodik: Die ursprüngliche Studie dauerte zwölf Wochen mit intensiver Behandlung, danach erfolgte eine neunmonatige Erhaltungstherapie. An der Verlaufsuntersuchung nach 2,5 Jahren nahmen 256 Patienten teil (Durchschnittsalter 36,3 Jahre, 49,8 % Männer). Das Verhältnis zu den vorherigen vier Studiengruppen war ausgeglichen und die Ergebnisse in der Conners-ADHS-Ratingskala vergleichbar. Nach Studienende gab es keine weiteren Restriktionen. Primäres Studienziel war eine Veränderung in der Conners-ADHS-Ratingskala.

Ergebnisse: 9 % der Patienten nahmen MPH weiter intermittierend ein; 31 % dauerhaft in einer durchschnittlichen Dosis von 36 mg. Unter Therapie mit GPT oder CM besserte sich die Conners-Skala von 20,6 auf zirka 14,5 Punkte (kein signifikanter Unterschied zwischen den Interventionen), aber signifikant auf 13,8 unter MPH, was sich wiederum signifikant von Placebo unterschied (15,2; p = 0,04). Ähnliches ergab sich für den Verlauf.

Schlussfolgerungen: Eine einjährige leitliniengerechte multimodale Behandlung des ADHS mit MPH und Psychotherapie ist auch noch 1,5 Jahre nach Beendigung wirksam. Wenn MPH mit einer Psychotherapie kombiniert wird, kann ein längerdauernder Therapieeffekt erreicht werden. Eine GPT bringt keinen Zusatznutzen gegenüber einer Standardpsychotherapie.

Kommentar von Markus Weih, Nürnberg

Pharmakotherapie durch regelmäßige Gesprächskontakte ergänzen

Die COMPAS-Studie war vermutlich die erste Studie, die die Empfehlungen der Leitlinien einer multimodalen Therapie des ADHS konsequent in ein wissenschaftliches Studienprotokoll mit einer überdurchschnittlichen Dauer von immerhin einem Jahr übersetzte. In der vorliegenden Verlaufsuntersuchung wurden fast 60 % der ehemaligen Studienteilnehmer im Intervall erneut untersucht. Der JADAD-Score beträgt vier von fünf Punkten (durch das Studiendesign allein erklärbar, nicht durch Mängel). Es ist sehr erfreulich zu sehen, dass der Therapieeffekt auch noch 1,5 Jahre später anhält. Sowohl spezifische Psychotherapie als auch unspezifische Interventionen, wie sie sowohl in Klinik als auch Praxis üblich sind, verstärken den bekannten, neurobiologisch auch gut erklärbaren Effekt von MPH. Dies bestätigt die Praxis, dass die medikamentöse Behandlung mit MPH durch regelmäßige Gesprächskontakte ergänzt werden sollte und auch medikamentenfreie Intervalle regelmäßig thematisiert werden sollten.

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Prof. Dr. med. Markus Weih, Nürnberg