Fragestellung: Wie wirksam ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) bei der Behandlung von Patienten mit depressiver Symptomatik in der Primärversorgung?

Hintergrund: Die Depression ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen in westlichen Industrienationen. Sie führt zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität sowie Leistungsfähigkeit und produziert hohe Kosten für das allgemeine Gesundheitssystem. Trotz allem erhalten viele depressive Patienten keine adäquate Behandlung. Da sich die meisten depressiven Patienten in der Primärversorgung befinden, bietet ein Therapieangebot in der Primärversorgung den Vorteil, dass die Schwelle sich Hilfe zu holen, für die Patienten eher niedrig ist. Nachteilig ist, dass Ärzte in der Primärversorgung in der Regel keine psychotherapeutische Expertise haben. Die KVT ist eins der wirksamsten Psychotherapieverfahren zur Behandlung depressiver Erkrankungen. Wenig gut untersucht ist allerdings deren Wirksamkeit bei Patienten in der Primärversorgung.

Patienten und Methodik: In die Analyse wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCT) eingeschlossen, welche die KVT mit einer Kontrollbedingung verglichen. Einschlusskriterien für die Analyse waren: 1) Patienten mit einer unipolaren Major Depression nach DSM-IV oder mit depressiven Symptomen in einem Fragebogen beziehungsweise Interview zur Erfassung des Schweregrads einer Depression oder Patienten, die depressive Symptome berichteten, 2) Alter ≥ 18 Jahre, 3) aktive Kontrollbedingung (übliche Therapie [therapy as usual, TAU], Antidepressiva, Warteliste, Placebo).

Ergebnisse: Die Suche identifizierte 4.741 Studien von denen 34 in die Analyse eingingen. Die Ergebnisse zeigten, dass die KVT den Kontrollbedingungen signifikant überlegen war (Hedges g = 0,22; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,15–0,30). Die Heterogenität zwischen den Studien war moderat.

Die Art der Kontrollbedingung hatte einen signifikanten Einfluss auf die Effektstärken (p = 0,041). Dies bedeutet, dass Studien mit Warteliste als Kontrollbedingung signifikant höhere Effekte erbrachten (g = 0,48) als Studien, welche die KVT mit anderen Psychotherapieverfahren verglichen (g = −0,02). Zudem erbrachten Studien, die in spezialisierten Einrichtungen erfolgten, höhere Effektstärken als Therapien, die in der Primärversorgung durchgeführt wurden (g = 0,44 vs. 0,22, p = 0,009). Die positiven Effekte der KVT waren auch in den Follow-up-Untersuchungen (Follow-up-Zeitraum im Mittel zehn Monate) weiter zu beobachten (Hedges g = 0,17; 95%-KI 0,10–0,24).

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse legen nahe, dass die KVT auch in der Primärversorgung wirksam ist.

Kommentar von Stefanie Wagner, Mainz

Möglichkeiten schaffen, Behandler entsprechend zu schulen

Die Studie zeigte, dass die KVT auch bei Patienten mit leicht ausgeprägter Symptomatik in der Primärversorgung wirksam ist, sodass auch solchen Patienten frühzeitig eine wirksame Therapieoption angeboten werden kann. Da die Hürde für die Patienten, sich aufgrund psychischer Beschwerden Hilfe zu suchen, in der Primärversorgung deutlich geringer ist, bietet die KVT die Chance, eine Vielzahl von Patienten zu erreichen. Allerdings sind die Effektstärken relativ gering.

Die Metaanalyse ist mit Evidenzstufe I von hoher Qualität. Positiv anzumerken ist, dass sie sich an den PRISMA-Kriterien (Preferred Reporting Items for Systematic reviews and Metaanalyses) orientiert hat und ausschließlich RCT analysiert wurden. Kritikpunkte sind, dass die eingeschlossenen Studien eher von geringer Qualität waren und nur 9 % ein geringes Risiko für Bias hatten. Vor allem der Umgang mit fehlenden Daten wurde in den Primärstudien nicht oder nur unzureichend erläutert. Auch wird die Generalisierung der Ergebnisse dadurch erschwert, dass sowohl das therapeutische Setting der KVT als auch die Kontrollbedingungen in den Studien sehr vielfältig waren.

Insgesamt legt die Studie nahe, dass die KVT in der Primärversorgung eine wirksame Behandlungsoption ist, die möglicherweise eine Verschlimmerung der Symptomatik verhindert und für die Patienten eine geringere Hürde darstellt, als einen ambulanten Psychiater oder Psychotherapeuten aufzusuchen, zumal die Wartezeiten für eine ambulante Psychotherapie oft lang sind. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass der Effekt sehr viel größer ist, wenn die Therapeuten in der Anwendung der KVT geschult sind. Dies würde meines Erachtens dafür sprechen, Möglichkeiten zu schaffen, die Behandler in der Primärversorgung bezüglich Depressionen und deren verhaltenstherapeutischer Behandlung gezielt zu schulen.

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Dr. biol. hom. Stefanie Wagner, Mainz