Fragestellung: Verbessert Ketamin als Narkosemittel im Vergleich zu einem Barbiturat (Methohexital) das Ergebnis einer Elektrokrampftherapie (EKT) bezogen auf Depressivität, Anfallsqualität, Nebenwirkungen und periphere Blutspiegel von Neurotrophinen (BDNF)?

Hintergrund: EKT stellt bei schweren Depressionen eine moderne Leitlinientherapie dar. Ketamin gilt ebenfalls als ein modernes und sehr rasch wirkendes Antidepressivum, zudem hat es keinen negativen Einfluss auf die Krampfschwelle, wie zum Beispiel Barbiturate. Daher sollte in dieser Studie getestet werden, ob sich Ketamin im Vergleich zu Methohexital bei einer EKT günstiger auswirkt.

Patienten und Methodik: In diese randomisiert kontrollierte Studie wurden Patienten mit einer therapieresistenten Depression, diagnostiziert nach DSM 5, eingeschlossen. Die Patienten erhielten als EKT-Anästhetikum entweder 1–2 mg/kg KG Ketamin (Razemat) oder 1–2 mg/kg KG Methohexital. Die EKT wurde rechts unilateral mit einer Pulsbreite von 0,3 ms und mit einer altersbasierten initialen Ladungsmenge durchgeführt. Bei fehlender Anfallsqualität oder klinischer Wirksamkeit wurde zunächst die Ladungsmenge erhöht und dann die Elektrodenposition geändert. Bei weiter fehlender Wirksamkeit konnte dann auch das Narkosemittel gewechselt werden.

Ergebnisse: Depressivität und kognitive Nebenwirkungen sowie Anfallsqualität und kardiovaskuläre Nebenwirkungen unterschieden sich nicht zwischen den beiden Narkosemitteln. BDNF zeigte einen knapp signifikanten Anstieg im Ketamin-Arm. In der Methohexital-Gruppe mussten mehr Patienten bilateral behandelt werden und es kam bei vier Patienten zu einem Wechsel von Methohexital zu Ketamin. Bei Methohexital zeigte sich eine höhere Rate an postiktaler Agitation und in der Ketamin-Gruppe hatten zwei Patienten jeweils einmalig kurzfristig dissoziative Symptome in der Aufwachphase.

Schlussfolgerungen: Ketamin-Narkosen sind nicht schlechter wirksam und nicht nebenwirkungsreicher als Barbiturat-Narkosen und sind für einzelne Patienten, bei denen keine hinreichende Anfallsqualität erreicht werden kann, vorteilhaft.

Kommentar von Alexander Sartorius, Mannheim

Der Wechsel auf eine Ketamin-Narkose kann sehr hilfreich sein

Leider weist diese Studie einige schwere Designmängel auf, sodass vieles nicht direkt in den klinischen Alltag übertragen werden kann: So wurden sowohl Methohexital als auch Ketamin in vergleichsweise niedrigen Dosen appliziert. Das hat beim Methohexital natürlich den Vorteil, dass es niedrig dosiert weniger antikonvulsiv wirkt, andererseits führt das bei Barbituraten zu deutlich mehr postiktaler Agitation. Auch Ketamin wurde vergleichsweise gering dosiert, was zu einer erhöhten Rate psychomimetischer Nebenwirkungen in der Aufwachphase führte. Alle Patienten im Ketamin-Arm erhielten daher in der Aufwachphase bereits prophylaktisch 1–2 mg Midazolam, was wiederum zu eigenen Problemen führen kann.

Schwierig für die Beurteilung der Studienergebnisse ist auch, dass die initiale Ladungsmenge mittels Altersmethode bestimmt wurde. Es überrascht daher nicht, dass sich beide Gruppen in der mittleren Ladungsmenge nicht unterscheiden. Der eigentlich zu testende Nachteil von Methohexital ist dessen antikonvulsiver Effekt, sodass man erwarten würde, dass Ketamin-Patienten bei gleicher Wirksamkeit mit einer niedrigeren Dosis behandelt werden könnten. Eine niedrigere Dosis in der Ketamin-Gruppe hätte sich dann günstig auf die kognitiven Nebenwirkungen der EKT in der Ketamin-Gruppe auswirken können. Dieser Effekt wäre insbesondere aufgefallen, wenn mehr EKT-Behandlungen in beiden Armen durchgeführt worden wären. Es wird nicht weiter erläutert, warum die Patienten beider Gruppen im Schnitt weniger als sechs EKT erhielten, was sich auch darin widerzuspiegeln scheint, dass die finalen HAMD-21-Werte nicht unter zehn Punkte reichen. Dementsprechend werden leider auch keine Remissions- oder Responderraten berichtet. Letztendlich muss somit befürchtet werden, dass die Patienten in beiden Gruppen nicht hinreichend lange behandelt wurden und sich damit auch nicht beurteilen lässt, ob sich eines der beiden Narkosemittel wirklich günstiger ausgewirkt hat.

Trotz all dieser Mängel ist es bemerkenswert, dass vier von 27 Patienten von Methohexital auf Ketamin wechseln mussten, was auf einen relevanten klinischen Vorteil von Ketamin bei Patienten mit hoher Krampfschwelle hinweisen könnte. Beachtenswert bleibt, dass Ketamin als EKT-Anästhetikum nicht zu niedrig dosiert werden sollte.

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Prof. Dr. med. Dipl. Phys. Alexander Sartorius, Mannheim