Fragestellung: Wie wirkt sich eine postmenopausale Hormonersatztherapie auf das Demenzrisiko von Frauen aus?

Hintergrund: Nachdem epidemiologische Studien einen protektiven Effekt einer postmenopausalen Hormonersatztherapie vermuten ließen, zeigte die große, randomisierte und placebokontrollierte Women’s Health Initiative Memory Studie, dass eine Hormontherapie nicht protektiv ist, sondern eher das Demenzrisiko erhöht. Diese Studie wurde aber vielfach sowohl wegen des späten Zeitpunkts des Beginns der Hormonsubstitution — nach dem 65. Lebensjahr — als auch wegen der Wahl der Hormonpräparate kritisiert.

Patienten und Methodik: Im Rahmen der umfassenden finnischen Gesundheitsdatenbanken wurde eine Gruppe von fast 85.000 Frauen mit einer Alzheimer-Demenz im Kontrast zu einer gleich großen Vergleichsgruppe analysiert. Erfasst wurden der Beginn, die Dauer und die Art einer Hormonsubstitution (Östrogen Monopräparate oder Östrogen-Progesteron-Kombipräparate) als Risikofaktor für eine nachfolgende Diagnose einer Alzheimer-Demenz oder gemischten Demenz mit im Vordergrund stehender Alzheimer-Komponente. Aufgrund der Qualitätsanforderungen an eine Demenzdiagnose wird diese in Finnland von einem Facharzt unter Einschluss einer zerebralen Bildgebung und einer kognitiven Testung erstellt.

Ergebnisse: Unabhängig vom Zeitpunkt des Beginns sowie dem Typ der eingesetzten Hormone fand sich eine Erhöhung des Risikos für eine Alzheimer-Demenz nach einer Hormonsubstitutionsbehandlung um 9–17 %. Bei einem Therapiebeginn vor dem 60. Lebensjahr wurde erst ab einer Einnahmedauer von zehn Jahren das Risiko signifikant erhöht. Die Benutzung vaginaler Hormoncremes hatte keinen Einfluss auf das Alzheimer-Risiko.

Schlussfolgerungen: Die Autoren ziehen aus ihren Daten den Schluss, dass bei der Beratung für eine postmenopausale Hormonsubstitution auch die leichte Erhöhung des Risikos für eine Alzheimer-Demenz thematisiert werden muss.

Kommentar von Michael Hüll, Emmendingen

Von möglicher Protektion zum möglichen Risikofaktor

Ältere US-amerikanische pharmakoepidemiologische Studien zeigten, dass Frauen mit einer Hormonsubstitution seltener eine Demenz bekamen. Der Bias, das gut gebildete, sozioökonomisch besser gestellte Frauen in diesen Jahren stärker zu den Käuferinnen von Hormonpräparaten gehörten, als sozioökonomisch schlechter gestellte Frauen mit einem höheren Demenzrisiko, muss vermutet werden. Im Gegensatz zu den USA erlauben die skandinavischen populationsbasierten Gesundheitsdatenbanken Längsschnittanalysen in Gesundheitssystemen, deren Leistungen nicht so stark durch den sozioökonomischen Status des Einzelnen bestimmt sind. Trotz des Fehlens einer Randomisierung oder einer Verblindung kann bei diesem großen Datensatz davon ausgegangen werden, dass viele störende Variablen hier in beiden Gruppen balanciert sind und es sich um eine methodisch sehr hochwertige Fall-Kontroll-Studie handelt. Die Risikoerhöhung von circa 10 % kann hierbei als leicht betrachtet werden, eine Minimierung des Risikos durch eine Begrenzung der Einnahmedauer bei frühem Beginn, sollte genutzt werden. Ein später Beginn einer Hormonsubstitution, nach dem 60. Lebensjahr, sollte vermieden werden. Die früher von Frauen berichtete Bemerkung, und dann habe der Apotheker auch noch gesagt, das ist auch gut fürs Gedächtnis, gehört auf jeden Fall in die Mottenkiste.

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Prof. Dr. med. Michael Hüll, Emmendingen