Neue Klassifikation im ICD-11 ist begrüßenswert
Die Studie bietet eine qualitativ hochwertige Übersicht zur Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen in der Allgemeinbevölkerung. Sie zeigt, dass diese nach den bisher gebräuchlichen Definitionen von DSM-IV und ICD-10 häufiger sind als anerkannte „Volkskrankheiten“. Zugleich sind aber evidenzbasierte Behandlungsangebote für diese häufigen Erkrankungen nicht flächendeckend verfügbar. Leider gibt die Arbeit keine Komorbiditätsraten an. Sie weist aber auf weitere zentrale Probleme der noch gebräuchlichen Klassifikationen von Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV hin: Prävalenzraten von mehr als einem Zehntel der Bevölkerung erhöhen die Zweifel an der Validität dieser Einteilungen und weisen auf die bei Persönlichkeitsstörungen willkürliche erscheinende Schwelle zwischen gesundem und krankem Verhalten hin. Auch wirft der große Unterschied zwischen der in unserem Gesundheitssystem hilfesuchenden Population, wo Patienten mit Borderline-Störung überwiegen, und den in dieser Studie gefundenen Prävalenzen mit den höchsten Raten bei Cluster-A-Persönlichkeitsstörungen die Frage auf, ob entweder behandlungsbedürftige Populationen von unserem System nicht erreicht werden oder die bisher gebräuchlichen Klassifikationen Populationen eine Krankheit zuweisen, die gar keinen Hilfebedarf haben. Letztlich zeigt die Studie, wie begrüßenswert die grundsätzliche Überarbeitung der Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen im ICD-11 und DSM 5 sowie eine intensivere epidemiologische Erforschung der Persönlichkeitsstörungen sind.