Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist nach der zystischen Fibrose die zweithäufigste tödliche autosomal rezessive Erkrankung und mit einer Inzidenz von 1 : 10.000 sehr selten. Seit einem Jahr gibt es mit dem Antisense-Oligonukleotid (ASO) Nusinersen (Spinraza®) eine medikamentöse Therapieoption, die die Muskelfunktion verbessert.

Ursächlich für die SMA ist eine Deletion im SMN1-Gen auf Chromosom 5q13. Daraus resultiert ein Mangel an SMN-Protein, der mit einem progredienten Verlust von Motoneuronen verbunden ist. Ausprägung und Schweregrad der Erkrankung hängen von der Restmenge an SMN-Protein ab. Man unterscheidet zwischen infantiler SMA (erste Symptome ≤ 6 Monate) und später einsetzender SMA (Alter > 6 Monate). Viele Patienten mit infantiler SMA erreichen nie motorische Meilensteine wie Kopfheben, freies Sitzen, Stehen oder Gehen. Sie versterben oftmals im Säuglings- oder Kleinkindalter, insbesondere durch Versagen der Atemmuskulatur. Patienten mit später einsetzender SMA können das Erwachsenenalter mit unterschiedlichen Behinderungsgraden erreichen; die Lebensqualität und Alltagsaktivitäten sind aber auch bei ihnen oftmals deutlich eingeschränkt. Nach dem Eindruck von Privatdozent Dr. Tim Hagenacker, Leiter der Spezialambulanz peripheres Nervensystem am Universitätsklinikum Essen, sind diese Patienten oft überdurchschnittlich intelligent.

Mit Nusinersen steht seit einem Jahr erstmals eine medikamentöse Therapie zur Verfügung. Das ASO wird intrathekal appliziert und führt dazu, dass die Exprimierung des ähnlichen Gens SMN2 erhöht wird, das auch bei SMA-Patienten zur Produktion geringer Mengen des SMN-Proteins beiträgt. Zugelassen ist die Substanz für alle Typen der 5q-assoziierten SMA. Ziel der Therapie ist, die motorische Funktion zu stabilisieren, die sonst unweigerlich progredient verloren geht. Deshalb sollte die Therapie so früh wie möglich begonnen werden. Sie verbessert bei allen Formen die Muskelfunktion. Ein früher Einsatz kann bei Säuglingen die motorische Entwicklung fördern. „Hier zählt jeder Tag!“, so Professor Janbernd Kirschner, Kommissarischer Ärztlicher Direktor der Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen, Universitätsklinik Freiburg. Erwachsene können mit einer verbesserten Muskelfunktion ihren motorischen Radius vergrößern und damit an Lebensqualität gewinnen. Allerdings stellt die intrathekale Applikation bei ausgeprägter Skoliose eine Herausforderung dar. Hier kann eine CT-gesteuerte Applikation meist helfen, so Hagenacker.