Das Problem bei seltenen Erkrankungen ist, dass man sie nicht im Blick hat und sie dadurch einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung entgehen. Beispielhaft dafür ist die hereditäre Transthyretin-Amyloidose (hATTR), ein autosomal dominant mit variabler Penetranz vererbter Defekt der Proteinfaltung.

Die Erkrankung geht mit einer progressiven Polyneuropathie (PNP) einher. Da diese vom distal-symmetrischen Verteilungtyp ist und neben sensiblen und motorischen auch autonome Fasern betrifft, wird sie häufig mit diabetischer Neuropathie oder der chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP) verwechselt. „Eine hATTR fällt oft durch eine schnelle Krankheitsprogression auf“, erklärte Professor Ulrich Dillmann, Neurologische Universitätsklinik, Homburg/Saar. Da die hATTR neben dem Nervensystem häufig auch andere Organsysteme befalle, sei unter anderem auf begleitende gastrointestinale, kardiale und renale Symptome zu achten. Auch Gewichtsverlust oder Linsentrübungen können auf die richtige Fährte führen.

Patienten mit hATTR haben ohne Behandlung eine durchschnittliche Lebenserwartung von drei bis 15 Jahren. Manifestiert sich die Erkrankung als Kardiomyopathie, ist die Mortalität besonders hoch. Vor der Entwicklung der ersten medikamentösen Therapien war die Lebertransplantation die einzige Behandlungsoption. Seit 2011 steht die kleinmolekulare Substanz Tafamidis zur Verfügung. Seit Oktober ist das Antisense-Oligonukleotid Inotersen (Tegsedi®) neu auf dem Markt.

Professor Matthias Schilling, Leitender Oberarzt an der Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster, berichtete aus der zulassungsrelevanten Studie zu Inotersen. 172 hATTR-Patienten mit Polyneuropathien der Stadien 1 und 2 haben daran teilgenommen. Die Patienten wurden randomisiert doppelblind mit wöchentlichen s. c.-Injektionen Inotersen oder Placebo behandelt. Unter der Behandlung mit Inotersen nahm die Neuropathie und die damit assoziierte Einschränkung der Lebensqualität signifikant weniger zu als unter Placebo.

Fünf Patienten der Inotersen-Gruppe verstarben während der Behandlung, in der Placebogruppe traten keine Todesfälle auf. Die häufigsten schweren unerwünschten Ereignisse unter Inotersen waren Glomerulonephritis (3 %) und Thrombozytopenie, eines davon mit tödlichem Verlauf. Nach diesem Ereignis wurden die Blutbildkontrollen intensiviert [Benson et al. N Engl J Med 2018;379:22–31].