Fragestellung: Unterscheiden sich die Langzeiteffekte psychotherapeutischer Maßnahmen von denen anderer Therapien nach Beendigung der Behandlung bei Patienten mit Angststörungen?

Hintergrund: Nach aktuellen Behandlungsleitlinien werden sowohl psychotherapeutische als auch medikamentöse Maßnahmen zur Behandlung der wichtigsten Angststörungen empfohlen. Psychotherapeutisch hat die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) die beste Evidenz, medikamentös werden vor allem SSRI, SSNRI, Pregabalin, Trizyklika oder Benzodiazepine empfohlen. Allgemein wird davon ausgegangen, dass medikamentös behandelte Patienten relativ rasch nach dem Absetzen des Medikaments einen Rückfall erleiden, während die Effekte der Psychotherapie nach deren Ende mehrere Monate oder sogar Jahre anhalten.

Patienten und Methodik: In die Analyse wurden Studien eingeschlossen, die zwischen 1980 und 2016 Patienten mit Panikstörung, sozialer Phobie oder generalisierter Angststörung untersucht haben. Es wurden 93 Studien mit Follow-up-Zeitpunkten zwischen vier und 104 Wochen identifiziert, wobei die meisten Studien ihren Endpunkt nach 12, 26 oder 52 Wochen hatten. Psychotherapeutisch kam überwiegend die KVT (152 Studien) zum Einsatz, medikamentös wurden verschiedene Substanzen (16 Studien) eingesetzt. In 17 Studien wurde die Psychotherapie oder medikamentöse Behandlung mit einer Placebobedingung verglichen. Es wurde ein Random-Effekt-Modell benutzt, um die Effektstärken der einzelnen Studien miteinander zu vergleichen.

Ergebnisse: Die Analyse ergab, dass die Effekte bei allen vier Behandlungsoptionen (KVT, andere Psychotherapie, Medikation, Placebo) bis zum Follow-up-Zeitpunkt relativ stabil waren, wobei die Effektstärken der KVT innerhalb der 104 Wochen leicht zunahmen, wohingegen die Effekte der Medikation leicht zurückgingen. Dabei erzielten psychotherapeutische Verfahren zu allen Zeitpunkten bessere Effekte als eine medikamentöse Behandlung oder Placebo. Eine entsprechende Analyse ergab Hinweise auf eine moderate bis hohe Heterogenität zwischen den Studien.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse legen nahe, dass die Effekte einer psychotherapeutischen oder medikamentösen Behandlung von Angststörungen auch nach zwei Jahren weiter anhalten. Die Metaanalyse widerlegt damit die Hypothese, dass Patienten mit einer Angststörung nach Absetzen einer medikamentösen Therapie rasch einen Rückfall erleiden und die Behandlung somit keine anhaltenden Effekte hat.

Kommentar von Stephanie Wagner, Mainz

Die Effekte halten auch nach zwei Jahren weiter an

Die Studie hatte das Ziel die Hypothese zu prüfen, dass medikamentös behandelte Patienten mit Angststörungen nach Absetzen des Medikaments ein hohes Risiko aufweisen, einen Rückfall zu erleiden. Diese Vermutung konnte durch die Metaanalyse nicht bestätigt werden, da sowohl die Effekte der Psychotherapie als auch der medikamentösen Behandlung nach zwei Jahren weiter anhielten. Die Studie bildet somit eine wichtige Grundlage für die Behandlung von Patienten mit Angststörungen und deren Aufklärung vor Beginn der Behandlung.

Die Metaanalyse ist mit Evidenzstufe I von hoher Qualität. Positiv anzumerken ist, dass der Nachbeobachtungszeitraum mit maximal 104 Monaten sehr lang war und dass verschiedene Angststörungen in der Analyse untersucht wurden. Wünschenswert wäre gewesen, dass die Ergebnisse auch getrennt für die drei untersuchten Angststörungen dargestellt worden wären, um eine Aussage darüber zu erhalten, ob sich die Langzeiteffekte der verschiedenen Therapien bei verschiedenen Angststörungen unterscheiden. Kritisch anzumerken ist, dass die überwiegende Anzahl der Studien die Langzeiteffekte nach drei, sechs oder zwölf Monaten erfassten, aber nur sehr wenige Studien die Langzeiteffekte darüber hinaus untersuchten (104 Monate: Psychotherapie 15 Studien, Medikation zwei Studien), sodass die Effektstärken für die Wochen 53 bis 104 vorsichtig interpretiert werden müssen. Zudem wurden in 152 der eingeschlossenen Studien psychotherapeutische Verfahren untersucht, in 16 Studien eine medikamentöse Behandlung. Daher sollten die Langzeiteffekte der medikamentösen Therapie von Angststörungen in weiteren Studien belegt werden.

Insgesamt legt die Studie nahe, dass eine medikamentöse Behandlung von Angststörungen eine gute Alternative zur psychotherapeutischen Behandlung ist, deren Wirksamkeit über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr nach Ende der Behandlung stabil ist.

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Dr. hum. biol. Stefanie Wagner, Mainz