Fragestellung: Kann Acetylsalicylsäure (ASS) bei älteren Menschen vaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, kognitive Störungen und Demenz sowie permanente Behinderung verhindern?

Hintergrund: Niedrig dosierte ASS hat in randomisierten Studien mit > 200.000 Patienten mit akutem Koronarsyndrom, instabiler Angina pectoris, Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) belegt, dass sie das Risiko weiterer vaskulärer Ereignisse reduziert. Die Daten zum Nutzen von ASS in der Primärprävention sind aber widersprüchlich. Daher wurde ASS nur für Personen empfohlen, bei denen das 10-Jahres-Risiko für ein ischämisches, vaskuläres Ereignis bei über 10 % liegt.

Patienten und Methodik: Die Studie ASPREE (Aspirin in Reducing Events in the ELDERLY) schloss zwischen 2000 und 2014 19.144 Personen im Alter > 70 Jahre in den USA und Australien ein, die bisher kein vaskuläres Ereignis hatten und nicht dement waren. Die Teilnehmer erhielten 100 mg magensaftresistente ASS oder Placebo. Der primäre Endpunkt war die Kombination von Tod, Demenz und bleibender Behinderung. Sekundäre Endpunkte waren schwerwiegende Blutungen und kardiovaskuläre Erkrankungen wie tödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall, nicht tödliches akutes Koronarsyndrom oder Schlaganfall sowie Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz.

Ergebnisse: In die Studie wurden 19.144 Personen in einem mittleren Alter von 74 Jahren eingeschlossen. Der Anteil von Frauen betrug 56,4 %. 10,8 % der Teilnehmer hatten einen Diabetes mellitus. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 4,7 Jahren wurde die Studie nach einer Interimsanalyse abgebrochen. Der primäre Endpunkt trat bei 921/9.525 Personen in der ASS-Gruppe und bei 914/9.389 Personen in der Placebogruppe auf (Hazard Ratio [HR] 1,01, 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,92–1,11, p = 0,79). Auch für die Untergruppen des primären Endpunktes wie Tod, Demenz oder bleibende Behinderung ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Für die vaskulären Endpunkte gab es ebenfalls keinen signifikanten Vorteil von ASS. Schwerwiegende Blutungskomplikationen wurden bei 361 Personen in der ASS-Gruppe und bei 225 in der Placebogruppe beobachtet (HR 1,38, 95 %-KI 1,18–1,62, p < 0,001).

Schlussfolgerung: ASS ist in der Primärprävention bei Älteren nicht wirksam.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Entscheidend ist die Modifikation von Lebensstilfaktoren

ASPREE ist die dritte Studie die keinen Nutzen einer Primärprävention durch ASS fand. In der ARRIVE-Studie bei Personen mit einem mittelhohen Risiko für vaskuläre Ereignisse war ASS in der Prävention ischämischer, kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse nicht besser wirksam als Placebo und hatte ein erhöhtes Risiko gastrointestinaler Blutungen [1]. Eine Primärprophylaxe mit ASS reduzierte in der ASCEND-Studie signifikant das Risiko kardio- und zerebrovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit Diabetes mellitus, führte allerdings zu einer signifikanten Erhöhung schwerwiegender gastrointestinaler Blutungen [2]. Die ASPREE-Studie zeigt, dass auch ältere Personen nicht von einer Prophylaxe mit ASS profitieren. Dies gilt nicht nur für vaskuläre Endpunkte, sondern auch für die Gesamtsterblichkeit, die Entwicklung einer Demenz und die funktionelle Einschränkung im Alltag. Auch hier war das Blutungsrisiko unter ASS signifikant erhöht. Diese drei Studien belegen eindeutig, dass ASS nicht in der Primärprävention vaskulärer Ereignisse verwendet werden sollte. In der Beratung von älteren Personen sollte vermittelt werden, dass die Modifikation von Lebensstilfaktoren wie mangelnde Bewegung, Reduktion des Körpergewichts, Einschränkung des Alkoholkonsums und gesunde Ernährung wirksam ist, um das Risiko vaskulärer Ereignisse und der Demenz zu reduzieren.

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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen