Fragestellung: Welche Rolle spielt Stress am Arbeitsplatz bei der Sterblichkeit bei Personen mit und ohne kardiometabolische Erkrankungen?

Hintergrund: Eine Reihe von epidemiologischen Studien hat gezeigt, dass Stress und insbesondere Stress am Arbeitsplatz, ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen ist. Bisher wurde allerdings für kardiometabolische Erkrankungen nicht gut untersucht, wie bedeutsam Stress am Arbeitsplatz im Vergleich zu Nikotinkonsum oder arterieller Hypertonie ist. Dies sollte jetzt in einer Multikohortenstudie geprüft werden.

Patienten und Methodik: Das IDP-Work-Konsortium (Individual Participant Data meta-analysis in Working Populations) ist eine große Studiengruppe, die seit 1985 und 2002 prospektiv Daten in Finnland, Frankreich, Schweden und Großbritannien erhebt. Neben dem Stress am Arbeitsplatz wurden koronare Herzerkrankung (KHK), Schlaganfall und Diabetes mellitus erfasst. Außerdem gingen in die Analyse Blutdruck, Cholesterinspiegel, Nikotinkonsum, Body-Mass-Index, körperliche Aktivität und Alkoholkonsum ein. Die Todesursachen wurden aus den nationalen Sterberegistern gewonnen. Mithilfe einer Cox-Proportional-Hazard-Regression wurde der Zusammenhang zwischen Stressoren am Arbeitsplatz und der Sterblichkeit bei Personen mit und ohne kardiometabolische Erkrankungen berechnet.

Ergebnisse: In die Studie gingen 102.633 Patienten ein, die im Mittel über 14 Jahre nachverfolgt wurden. Zum Studienbeginn hatten bereits 3.441 Personen eine kardioembolische Erkrankung und 3.841 Personen starben während der Beobachtungsdauer. Bei Männern mit kardiometabolischen Erkrankungen waren die Sterblichkeitsraten für Personen mit Stress am Arbeitsplatz mit 149,8 pro 10.000 Patientenjahre signifikant höher als bei Personen ohne Stress am Arbeitsplatz mit 97,7 pro 10.000 Patientenjahre.

Dies entspricht einer Hazard Ratio von 1,68. Der Unterschied in der Sterblichkeit war genauso hoch wie aktueller Nikotinkonsum im Vergleich zu früherem Nikotinkonsum und höher als bei arterieller Hypertonie, hohem Cholesterinspiegel, Übergewicht, körperlicher Inaktivität und erhöhtem Alkoholkonsum. Für Frauen ließ sich dieser Zusammenhang nicht nachweisen. Bei Personen ohne kardiometabolische Vorerkrankungen bestand kein Zusammenhang zwischen Stress am Arbeitsplatz und Sterblichkeitsrisiko.

Schlussfolgerung: Bei Männern mit kardiometabolischen Erkrankungen ist Stress am Arbeitsplatz ein hochsignifikanter Risikofaktor für eine erhöhte Sterblichkeit.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Gilt das beschriebene Risikoprofil auch für Mediziner?

Die vorliegende Studie zeigt, dass bei Männern mit kardiometabolischen Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes mellitus, Stress am Arbeitsplatz zu einer signifikanten Erhöhung der Sterblichkeit führt. Dies gilt nicht für Personen ohne kardiometabolische Erkrankungen und nicht für Frauen. Stress als Risikofaktor hat in der vorliegenden Studie sogar eine höhere Bedeutung als andere bekannte vaskuläre Risikofaktoren. Ob eine Reduktion von Stress am Arbeitsplatz, beispielsweise durch Umgestaltung von Arbeitsplätzen, Reduzierung der Wochen- und Monatsarbeitszeit oder vorzeitige Berentung, das Sterblichkeitsrisiko wirklich reduziert, ist bisher noch unbekannt. Ebenfalls unbekannt ist, ob das Risikoprofil, das hier beschrieben wurde, auch für Mediziner gilt.