Fragestellung: Welche Antiepileptika haben ein erhöhtes Risiko für kongenitale Missbildungen, wenn sie während der Schwangerschaft eingenommen werden?

Hintergrund: Ein Merkmal der Antiepileptika ist das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen. Das „International Registry of Antiepileptic Drugs and Pregnancy“ (EURAP) wurde 1989 gegründet und erfasst Schwangerschaften bei Frauen, die zum Zeitpunkt der Konzeption ein Antiepileptikum einnahmen. Das Register rekrutiert in 42 Ländern an 1.500 Epilepsie-Zentren. Die jetzt publizierte Kohortenstudie umfasst den Zeitraum von Juni 1999 bis Mai 2016. Der Gesundheitsstatus von Mutter und Kind wurde nach jedem Trimester, bei der Geburt und ein Jahr danach erfasst. Der primäre Endpunkt des Registers war das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen ein Jahr nach der Geburt bei Kindern von Frauen, die einem der folgenden Antiepileptika ausgesetzt waren: Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Phenytoin, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Topiramat oder Valproinsäure. Wenn ausreichende Daten vorlagen, wurde auch versucht, eine Dosisabhängigkeit schwerwiegender kongenitaler Missbildungen zu berechnen.

Ergebnisse: Zwischen Juni 1999 und Mai 2016 wurden 7.555 Schwangerschaften prospektiv erfasst. Die Mütter waren zum Zeitpunkt der Konzeption im Mittel 30 Jahre alt, 87 % der Patientinnen wurden in Europa rekrutiert. Bei 61 % der Frauen war keine aussreichende Substitution mit Folsäure erfolgt.

Das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen betrug bei Exposition mit Valproinsäure 142/1.381 (Prävalenz 10,3 %), mit Phenobarbital 90/294 (Prävalenz 6,5 %), mit Phenytoin 8/125 (Prävalenz 6,4 %), mit Carbamazepin 107/195 (Prävalenz 5,5 %), mit Topiramat 6/152 (Prävalenz 3,9 %), mit Oxcarbazepin 10/133 (Prävalenz 3,0 %), mit Lamotrigin 44/2514 (Prävalenz 2,9 %) und mit Levetiracetam 17/599 (Prävalenz 3,0 %).

Für vier der acht untersuchten Antiepileptika ergab sich ein Zusammenhang zwischen der Tagesdosis und einem erhöhtem Missbildungsrisiko. Diese Grenzen betrugen bei Lamotrigin > 325 mg/Tag, bei Carbamazepin > 700 mg/Tag, bei Valproinsäure > 650 mg/Tag und bei Phenobarbital > 80 mg/Tag. Im direkten Vergleich hatten Valproinsäure und Carbamazepin höhere Missbildungsraten als Levetiracetam.

Schlussfolgerungen: Im internationalen EURAP-Register wurden 7.555 Schwangerschaften erfasst, bei denen die Schwangere ein Antiepiletikum einnahm. Dabei zeigten sich erhöhte kindliche Missbildungsraten für Valproinsäure, Phenobarbital, Phenytoin und Carbamazepin.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen, und Vivien Homberg, Bad Berka

Eine wichtige Studie für die Beratung von Schwangeren

Die EURAP-Studie ist die größte Studie, die prospektiv das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen bei acht verschiedenen Antiepileptika untersucht hat. Dabei zeigt sich, dass Oxcarbazepin, Levetiracetam und Lamotrigin ein Missbildungsrisiko haben, wie es auch ohne die Einnahme von Antiepileptika zu erwarten wäre. Das höchste Missbildungsrisiko besteht für Valproinsäure, Phenobarbital, Carbamazepin und Phenytoin. Die Daten sind für die Beratung von Patientinnen mit Epilepsie, die schwanger werden wollen, außerordentlich wichtig. Im Einzelfall muss dann die antiepileptische Therapie umgesetzt werden, beziehungsweise es muss kritisch überprüft werden, ob eine antiepileptische Therapie noch notwendig ist.

Das EURAP-Register kann bei dieser Auswertung keine Aussagen darüber treffen, wie das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen bei der Kombination von Antiepileptika ist. Für die Beratung von Schwangeren ist aber nicht nur wichtig, dass Valproinsäure zu einem erhöhten Missbildungsrisiko führt, sondern auch, dass Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft Valproinsäure einnehmen, zu späteren Zeitpunkten eine schlechtere intellektuelle Entwicklung haben, als Kinder, deren Mütter mit anderen Antiepileptika behandelt werden oder von Müttern, die keine antiepileptische Therapie benötigen. Folsäure, eingenommen vor und während der Konzeption, reduziert nicht nur das Missbildungsrisiko, sondern auch die Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit der Kinder nach intrauteriner Valproat-Exposition.

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Dr. med. Vivien Homberg, Bad Berka