Fragestellung: Systematische Literaturübersicht zur Wirksamkeit von Clozapin in der Behandlung von komorbiden Abhängigkeitserkrankungen bei Schizophreniepatienten.

Hintergrund: Abhängigkeitserkrankungen sind bei Schizophreniepatienten etwa dreimal so häufig wie in der Allgemeinbevölkerung und wirken sich negativ auf Therapieadhärenz, kognitive Leistungsfähigkeit, Prognose und Lebensqualität aus. Die am häufigsten konsumierten Substanzen sind Nikotin (80–95 %), Alkohol (20–60 %), Cannabis (12–42 %), Kokain (15–50 %) und Amphetamine (10–25 %).

Patienten und Methodik: Elektronische Datenbanken wurden nach Artikeln zur Verwendung von Clozapin bei komorbiden Abhängigkeitserkrankungen und Craving bei erwachsenen Schizophreniepatienten zwischen Januar 1962 und Dezember 2016 durchsucht. Die Daten der eingeschlossenen Studien wurden mithilfe einer vordefinierten Mustervorlage entnommen und die Qualität der einzelnen Studien nach Standardkriterien bewertet.

Ergebnisse: Insgesamt 14 Studien wurden in die endgültige Bewertung aufgenommen. Die Autoren nahmen dabei eine Unterteilung in Nikotin- und andere Abhängigkeiten vor. Fünf Studien mit Stichprobengrößen zwischen zwölf und 727 Probanden wurden in die Analyse der Wirkstärke von Clozapin zur Reduktion des Nikotinkonsums eingeschlossen. Dabei waren nur drei Studien randomisiert und kontrolliert und keine Studie nutzte eine Placebogruppe. Im Vergleich zu Erst- und anderen Zweitgenerationsantipsychotika zeigte Clozapin eine stärkere Reduktion des Zigarettenkonsums, die allerdings nur ohne zusätzliche Entwöhnungsbehandlung wie beispielsweise Nikotinpflaster überlegen war. Zwei der drei randomisierten Kontrollstudien zeigten zudem eine Verringerung des Nikotinkonsums unter der Behandlung mit hohen Dosen Clozapin (200–600 mg/d) im Vergleich zu niedrigeren Dosen (50–150 mg/d) nach zwölf Wochen.

Zum Einfluss von Clozapin auf andere Abhängigkeitserkrankungen wurden neun Studien mit Stichprobengrößen zwischen 28 und 1.362 Probanden analysiert. In einer prospektiven Studie ambulanter und stationärer Patienten reduzierte eine Behandlung mit Zweitgenerationsantipsychotika oder Clozapin den Substanzkonsum im Vergleich zu keiner Antipsychotikabehandlung. Gegenüber Erstgenerationsantipsychotika erzielte Clozapin bessere Ergebnisse im Abstinenzerhalt über drei Jahre bei ambulanten Patienten. Für Cannabisabhängigkeit konnte zudem eine randomisierte Kontrollstudie eine Überlegenheit von Clozapin im Vergleich zu Risperidon bei kurzer Behandlungsdauer (4–12 Wochen) zeigen. In der Langzeitbehandlung reduzierte Clozapin den Cannabiskonsum in vergleichbarem Ausmaß wie Ziprasidon.

Schlussfolgerungen: Positive Ergebnisse für die medikamentöse Behandlung der Nikotinabhängigkeit mit Clozapin stammen größtenteils aus Studien mit geringer Evidenz. Die Hinweise für eine Wirksamkeit bei anderen Abhängigkeitserkrankungen sind stärker, insbesondere bei polysubstanzabhängigen Patienten. Bei Cannabisabhängigkeit und Polysubstanzgebrauch war Clozapin gegenüber Risperidon überlegen und vergleichbar wirksam wie Olanzapin und Ziprasidon.

Kommentar von Jonathan Reinwald, Mannheim

Clozapin könnte Vorteile bringen, weitere Studien dringend notwendig

Die methodisch gute Übersichtsarbeit von Arranz und Kollegen zeigt den potenziellen Nutzen von Clozapin in der medikamentösen Behandlung komorbider Substanzabhängigkeiten bei Schizophreniepatienten im Vergleich zu anderen Antipsychotika. Aufgrund der enormen Prävalenz komorbider Abhängigkeitserkrankungen bei Schizophrenie sowie deren negativen Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf ist diese Übersichtsarbeit von besonderer Relevanz für alle klinisch-tätigen Psychiater. Allerdings ist die Aussagekraft aufgrund der geringen Datenlage — insgesamt konnten nur 14 Studien in die Untersuchung eingeschlossen werden — sowie diverser Einschränkungen der Primärdaten limitiert. Dementsprechend konnten Kovariablen wie Geschlecht, Behandlungssetting, Dosierung, Nebenwirkungen oder der Einfluss von Selbsteinschätzung gegenüber laborchemischen Messungen nur unzureichend berücksichtigt werden. Nichtsdestotrotz zeigt die Literaturübersicht einen zusätzlichen potentiellen Nutzen von Clozapin in der Behandlung von Schizophreniepatienten mit Abhängigkeit und weist klar auf die dringende Notwendigkeit weiterer Studien in dieser Gruppe hin. In der Praxis sollten dabei allerdings die erheblichen Nebenwirkungen von Clozapin kritisch bedacht werden.

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Dr. med. Jonathan Reinwald