Chronische Kopfschmerzen sind häufig. So leiden nach epidemiologischen Studien des Kompetenznetzes Kopfschmerz und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) 0,7 – 1 % der Bevölkerung unter einer chronischen Migräne, 2 – 3 % unter chronischen Spannungskopfschmerzen und innerhalb der Gruppe der Patienten mit Clusterkopfschmerzen 20 % unter chronischem Clusterklopfschmerz. Die Betreuung dieser Patienten, die häufig eine erhebliche Komorbidität mit anderen neurologischen oder internistischen sowie psychiatrischen Erkrankungen aufweisen, ist zeitaufwendig und schwierig. Für chronische Migräne sind in der medikamentösen Prophylaxe nur Topiramat und Botulinumtoxin?A wirksam. Die Behandlung mit Botulinumtoxin?A ist aufwendig und der GKV-Spitzenverband verhindert beharrlich die Einführung einer Behandlungsziffer für die Botulinumtoxintherapie, wie es die Berufsverbände seit Jahren fordern. In Kürze werden monoklonale Antikörper gegen das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) oder den CGRP-Rezeptor zur Migräneprophylaxe zugelassen. Es ist damit zu rechnen, dass Patienten mit chronischer Migräne die wichtigste Zielgruppe für diese neue, sehr wirksame aber auch teure Therapie sein werden. Wie bei allen Therapien mit monoklonalen Antikörpern ist hier die Schulung und Aufklärung der Patienten besonders wichtig, vor allem dann, wenn die monatlichen Injektionen durch die Patienten selbst erfolgen.

Die Therapie chronischer Kopfschmerzen beschränkt sich aber nicht auf eine medikamentöse Prophylaxe sondern muss nach den neuen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der DMKG durch nicht medikamentöse Maßnahmen flankiert werden. Die Aufklärung über diese Maßnahmen und die Schulung der Patienten ist ebenfalls außerordentlich zeitaufwendig.

Patienten mit chronischen Kopfschmerzen sind in Deutschland eindeutig unterversorgt, was sich in den extrem langen Wartezeiten auf Termine in den Kopfschmerzambulanzen von Universitätskliniken und großen neurologischen Abteilungen zeigt, aber auch in den Praxen von Neurologen, die sich auf die Behandlung von schwierigen Kopfschmerzen spezialisiert haben. Diese Situation wird sich nur verändern, wenn es in Analogie zu anderen chronischen neurologischen Erkrankungen, wie der schwierig zu behandelnden Epilepsie, des fortgeschrittenen Parkinson-Syndroms oder der aggressiven Multiplen Sklerose zu einer entsprechenden Vergütung der Ärzte und Einrichtungen kommt, die diese Patienten betreuen. Wir brauchen in der Regelversorgung dringend Leistungspositionen für die komplextherapeutische Behandlung der chronischen Kopfschmerzen oder die Abbildung dieser Leistungen in Selektivverträgen oder in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass ohne eine entsprechende Vergütung viele unserer Kollegen nicht in der Lage und Willens sind, diese schwierigen Patienten langfristig zu betreuen. Die Erfahrung aus der Therapie mit Botulinumtoxin?A unterstützt diese Beobachtungen. Als Botulinumtoxin?A zur Prophylaxe der chronischen Migräne zugelassen wurde, bestand durchaus die Erwartung, dass eine Vielzahl von niedergelassenen Neurologen, die Erfahrung mit Botulinumtoxin beim Torticollis oder bei der Spastik haben, ebenfalls diese Therapie anbieten würden. Da der erhebliche Aufwand, der eben nicht nur durch die Injektion sondern aus der angemessenen Betreuung dieser Patienten mit häufiger psychiatrischer Komorbidität besteht, leider nicht vergütet wird, hat sich diese Therapie in der neurologischen Praxis erwartungsgemäß nicht durchgesetzt und wird ganz überwiegend nur von Kopfschmerzzentren und wenigen niedergelassenen Neurologen angeboten. Auf diese Weise bleiben viele Patienten, die von dieser wirksamen Therapie profitieren würden, unbehandelt.

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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener

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Dr. med. Uwe Meier

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PD Dr. med. Charly Gaul

Eine Änderung dieser Situation ist nur dann möglich, wenn alle Beteiligten bei dieser Problematik, nämlich die Patienten mit ihrer Patientenorganisation (Migräneliga), die DGN und die DMGK sowie die Berufsverbände für Neurologen (BDN) und für Nervenärzte (BVDN) in einen Dialog mit den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung treten um hier eine Verbesserung der Situation zu erreichen.