Schon in frühen Krankheitsstadien kommt es bei schubförmig-remittierender Multipler Sklerose (RRMS) zu einer Zunahme des Gehirnvolumenverlusts, die sich während des Krankheitsverlaufs weiter fortsetzen kann. Am stärksten betroffen sei die graue Substanz, erläuterte Professor Till Sprenger, Chefarzt der Neurologie und stellvertretender Ärztlicher Direktor, Helios Klinik Wiesbaden. Zusätzlich zu körperlichen Behinderungen kann die Hirnatrophie auch kognitive Einschränkungen nach sich ziehen.

Alemtuzumab (Lemtrada®) ist ein humanisierter, monoklonaler Antikörper zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit aktiver RRMS, der gezielt gegen das überwiegend auf T- und B-Lymphozyten exprimierte Oberflächenmolekül CD52 gerichtet ist. Auf die Zellen des innaten (angeborenen) Immunsystems habe der Antikörper nur geringe Auswirkungen, so Professor Sven G. Meuth, stellvertretender Direktor und leitender Oberarzt der Klinik für Allgemeine Neurologie, Universitätsklinikum Münster.

Nach einer selektiven Depletion der zirkulierenden T- und B-Zellen folge eine Repopulation und somit eine Reorganisation des Immunsystems, die mit der langfristigen Wirksamkeit von Alemtuzumab in Verbindung gebracht werden kann. Die Impulstherapie mit Alemtuzumab besteht in der Regel aus zwei kurzen Behandlungsphasen im Abstand von einem Jahr.

Bis einschließlich Jahr 7 kam es bei Patienten, die in den zulassungsrelevanten Phase-III-Studien CARE-MS I und CARE-MS II Alemtuzumab erhalten hatten und im Rahmen der laufenden Verlängerungsstudie TOPAZ nachbeobachtet werden, zu einer anhaltenden Verlangsamung der Hirnatrophie (beurteilt anhand der Hirnparenchymfraktion [Brain Parenchymal Fraction, BPF] im MRT).

In der CARE-MS-I-Studie sank der mediane jährliche BPF-Verlust unter dem Antikörper von 0,59 % im Jahr 1 auf 0,16 % im Jahr 7 [Arnold, DL et al., ECTRIMS 2017, P1189, Paris]. „Dieser Wert entspricht einer Hirnatrophierate, wie man sie auch bei gesunden Menschen beobachten kann“, erklärte Sprenger.

Die jährliche Schubrate lag in der CARE-MS-I- und CARE-MS-II-Studie unter Alemtuzumab mit 0,13 und 0,14 auch im Jahr 7 weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Zudem wies die Mehrzahl der mit dem Antikörper behandelten Patienten während der gesamten Nachbeobachtungszeit über sieben Jahre stabile oder sogar verbesserte Werte auf der Expanded Disability Status Scale (EDSS) auf und zeigte darüberhinaus keine klinische oder paraklinische Krankheitsaktivität [Coles AJ et al., P1188, ECTRIMS 2017, Paris; Singer BA et al., P736, ECTRIMS 2017, Paris]. Um das therapeutische Potenzial von Alemtuzumab bestmöglich zu nutzen, sei ein frühzeitiger Einsatz der Substanz wichtig, stimmten die beiden Experten überein.