Fragestellung: Wie wirksam ist eine strukturierte Verhaltensaktivierung bei Patienten mit Depression oder depressiven Symptomen im Alter über 55 Jahren?

Hintergrund: Die Wirksamkeit von strukturierter Verhaltensaktivierung als psychotherapeutische Methode wurde bei jüngeren depressiven Erwachsenen bereits mehrfach gezeigt, wobei die Wirksamkeit vergleichbar mit kognitiver Verhaltenstherapie ist. Unter Verhaltensaktivierung versteht man kurze, oft acht bis zehn Sitzungen dauernde psychotherapeutische Ansätze, die die Patienten motivieren und in die Lage versetzen, angenehmen Aktivitäten nachzugehen, einen strukturierten Aktivitätenzeitplan aufzustellen und regelmäßig die Stimmung zu beobachten. Zur Verhaltensaktivierung werden in einigen Studien auch Verhaltensstrategien wie Entspannungs- und Stressreduktionstechniken sowie Zielhierarchien gerechnet. Die Verhaltensaktivierungen werden häufig von nicht akademischem Personal durchgeführt und sind daher eher kostengünstig.

Patienten und Methodik: Die Autoren haben nach den Standards für systematische Reviews und Metaanalysen alle bis zum Dezember 2016 publizierten randomisierten kontrollierten Studien zur Verhaltensaktivierung bei Patienten über 55 Jahren ausgewertet.

Ergebnisse: 18 Studien wurden in die Metaanalyse eingeschlossen. Verhaltensaktivierung reduzierte die Depressionsausprägung mit einer großen Effektstärke von 0,72 und war sowohl bei ambulant behandelten als auch stationär behandelten Patienten sowie bei Patienten in Seniorenheimen wirksam. Sie wirkte gleichermaßen gut bei alleiniger Applikation wie auch Applikation in einem Multikomponenten-Setting mit anderen Verhaltensinterventionen.

Schlussfolgerungen: Verhaltensaktivierung ist zur Reduktion depressiver Symptome bei älteren Patienten wirksam. Die zum Teil schlechte Studienqualität macht weitere Studien erforderlich.

Kommentar von Klaus Lieb, Mainz

In der Praxis leicht anzuwenden

Diese Metaanalyse zeigt auch für den Einsatz der strukturierten Verhaltensaktivierung, dass psychotherapeutische Interventionen bei älteren Menschen vergleichbar wirksam sind wie bei jüngeren Menschen. Die Effektstärken für die Verhaltensaktivierung sind groß, so dass sie bei jedem älteren Patienten Anwendung finden sollten. Von Vorteil ist auch, dass die entsprechenden Interventionen nicht immer von psychologischem oder ärztlichem Personal durchgeführt werden müssen. Insbesondere in der Klinik können hier auch Pflegepersonal und Sozialarbeiter eingesetzt werden. Wie es Metaanalysen häufig zu Tage bringen, weisen auch die hier eingeschlossenen randomisierten, kontrollierten Studien zum Teil erhebliche methodische Mängel auf. Erfreulich ist jedoch, dass bei Einschluss nur der Studien mit hoher Qualität die Effektstärken immer noch bei 0,4 lagen, was knapp einem mittleren Effekt entspricht. Weitere Studien sind notwendig, insbesondere, um die Effekte bei Patienten mit depressiven Symptomen und beginnender Demenz oder kognitiven Einschränkungen zu untersuchen.