Cladribin ist ein Inhibitor der DNA-Synthese und -Reparatur. Die Substanz greift gezielt in die Immunpathogenese der Multiplen Sklerose (MS) ein, indem sie T- und B-Zellen moduliert. Besonders vorteilhaft sind die einfache orale Gabe und die nachhaltige Wirkung.

Bei der Immunpathogenese der MS spielen die T- und B-Zellen eine zentrale Rolle. „Dabei dringen zunächst T-Lymphozyten, die in der Peripherie aktiviert werden, durch die Bluthirnschranke in das ZNS ein und lösen eine Autoimmunreaktion gegen Myelin aus“, erläuterte Professor Frauke Zipp, Universitätsmedizin, Mainz. Durch diesen Entzündungsprozess wird die Blut-Hirn-Schranke auch durchlässig für B-Zellen, die nach ihrer Aktivierung im Gehirn Zytokine sezernieren, was die Zerstörung der Myelinscheide verstärkt.

Cladribin (Mavenclad®) greift gezielt in diesen immunpathogenetischen Prozess ein; denn die Substanz hemmt die DNA-Synthese und -Reparatur und reduziert so die T- und B-Lymphozytenzahl. „Cladribin ist eine wichtige Bereicherung der Therapie bei Patienten mit einer schubförmigen MS“, so Professor Ralf Gold, Neurologische Universitätsklinik,Bochum. Vorteilhaft sei, dass die orale Gabe dieser Substanz für den Patienten nur eine geringe Therapiebelastung bedeutet. Das Medikament muss nämlich nur über zwei kurze Behandlungsphasen von je zehn Tagen (fünf Tage zu Beginn des ersten Monats und nochmals fünf Tage zu Beginn des zweiten Monats), die in einem Abstand von einem Jahr erfolgen, eingenommen werden. „Diese gepulste Therapie schätzen die Patienten sehr“, so Gold.

Die starke und nachhaltige Wirksamkeit der Substanz konnte bei mehr als 2.000 Patienten mit über 10.000 Patientenjahren belegt werden. In der CLARITY-Studie bei 1.326 Patienten mit einer schubförmigen MS erreichten nach zwei Jahren 77,8 % Schubfreiheit im Vergleich zu 60,9 % unter Placebo, das bedeutet, die Schubrate wurde um 58 % gesenkt. Das Risiko einer Behinderungsprogression wurde im Zeitraum von sechs Monaten um 47 % reduziert.

Bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität war die Wirkung noch ausgeprägter. Hier war die jährliche Schubrate um 67 % und das Risiko für eine sechsmonatige Behinderungsprogression um 82 % niedriger [Giovannoni G et al. N Engl J Med 2010; 362: 416 – 26, Giovanni G et al. AAN 2017; P6.360].

„In der CLARITY-Extensionsstudie zeigte sich dann, wie nachhaltig die Cladribin-Wirkung ist“, so Professor Peter Rieckmann, Klinikum am Bruderwald, Bamberg. Denn drei beziehungsweise vier Jahre nach der initialen Therapie betrug der Anteil der schubfreien Patienten immer noch 75,6 % [Giovanni G et al. AAN 2013; P07.119].