Fragestellung: Zeigt sich eine beginnende demenzielle Symptomatik bei älteren gesunden Menschen ohne kognitive Leistungseinschränkungen mit positiven Amyloidmarkern im Verlauf?

Hintergrund: Eine zerebrale Amyloidpathologie spielt eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Demenz und findet sich dort bereits im Frühstadium. Marker für eine Amyloidpathologie können im Rahmen einer PET-Untersuchung oder einer Lumbalpunktion gewonnen werden. Der Eintrittszeitpunkt einer klinischen Symptomatik bei gesunden Menschen mit positiven Markern für eine Amyloidpathologie ist aber unklar.

Patienten und Methodik: Im Rahmen der großen Längsschnittstudie ADNI (Alzheimer-Disease-Neuro-Imaging) wurden 445 ältere Menschen um die 75 Jahre mit einer normalen Kognition ohne Zeichen eines MCI (Mild Cognitive Impairment) anhand von Amyloidmarkern (Amyloid-PET oder Amyloidspiegel im CSF) auf zwei Beobachtungsgruppen aufgeteilt. Die Beobachtungszeit betrug bis zu zehn Jahre, bis zu einem Beobachtungszeitraum von vier Jahren waren die Beobachtungszahlen für eine statistische Analyse gut. Die amyloidpositive Gruppe war im Schnitt 1,4 Jahre älter und hatte ein halbes Jahr weniger formale Ausbildung als die amyloidnegative Gruppe. Die ApoE-Häufigkeit (42 % amyloidpositive zu 16 % amyloidnegative Gruppe) unterschied sich zwischen beiden Gruppen deutlich.

Ergebnisse: Über eine Beobachtungszeit von vier Jahren nahm der MMSE in der amyloidpositiven Gruppe im Schnitt um 0,6 Punkte ab (13,1 % der Gruppenmitglieder entwickelten ein MCI), während der MMSE in der amyloidnegativen Gruppe im Schnitt konstant blieb (5 % entwickelten ein MCI). Für die Beobachtungszeit von zehn Jahren wurde ein um drei Punkte stärkerer MMSE-Abfall in der amyloidpositiven Gruppe geschätzt, wobei es für diese Langzeitvorhersage nur noch wenige Fälle gab.

Schlussfolgerungen: Die Autoren sehen das Konzept der Kaskade einer asymptomatischen Amyloidpathologie (asymptomatische Alzheimer-Krankheit) hin zur zunehmenden kognitiven Störung, erst MCI, dann Demenz (symptomatische AlzheimerKrankheit) bestätigt und somit die Gruppe der Menschen mit asymptomatischer Amyloidpathologie als die natürliche Risikogruppe für Präventionsstudien.

Kommentar von Michael Hüll, Emmendingen

Amyloid als Risikomarker bestätigt

Die Studie zeigt, dass positive Amyloidmarker das Risiko eines MCI und nachfolgend wahrscheinlich einer Demenz verdoppeln bis verdreifachen. Dies entspricht auch ungefähr der Risikoerhöhung durch ein ApoE4-Allel. Damit ist der Versuch, gerade in dieser Gruppe neue präventive Therapiestrategien zu untersuchen, gerechtfertigt. Sieht man aber die geringe Progressionsrate in der Längsschnittstudie insgesamt sowie die geringe absolute Anzahl an neu aufgetretenen Demenzen in beiden Gruppen (amyloidpositiv 6 %, amyloidnegativ 3 %) an, wird auch deutlich, welch große Anzahl an Teilnehmern und welch lange Beobachtungszeiten solche Studien brauchen. Die gefundenen Ergebnisse helfen leider nicht, positive Befunde zu Amyloidmarkern bei jüngeren asymptomatischen Menschen einzuordnen. Während die Amyloidmarker bei der Früh- und Differenzialdiagnose einer Demenz mittlerweile ihren klinischen Stellenwert bewiesen haben, bleibt der prädiktive Einsatz noch auf die Wissenschaft beschränkt.

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Prof. Dr. med. Michael Hüll, Emmendingen