Die Behandlungsregime der MS sind in jüngster Zeit deutlich komplexer geworden. Während früher zwischen einer Basis- und einer Eskalationstherapie unterschieden wurde, steht inzwischen die aktuelle Krankheitsaktivität im Zentrum der Therapiewahl. Es geht dabei darum, möglichst frühzeitig die Krankheitsaktivität in den Griff zu bekommen und weitere Folgen der Erkrankung wie Behinderungsprogression und Begleitsymptome wie kognitive Einbußen oder eine Fatigue abzuwenden.

Die Therapie sollte laut Professor Mark Obermann, Asklepios Kliniken in Schildautal Seesen, im Idealfall bereits erfolgen, bevor der Patient einen EDSS (Expanded Disability Status Scale) von 3 entwickelt hat. „Setzt die Behandlung erst in einem späten Stadium ein, sind die Therapieerfolge in aller Regel geringer ausgeprägt.“ Besonders bedeutsam ist eine effektive Intervention bei Patienten mit aktiver oder sogar hoch aktiver MS. In dieser Situation ist zudem zu entscheiden, ob eine Dauertherapie erfolgen soll oder eine Impulstherapie mit Alemtuzumab (Lemtrada®). Der Antikörper hat nach Obermann den Vorteil, dass in aller Regel nur zwei Behandlungsphasen mit fünf respektive drei Infusionen im Abstand von einem Jahr verabreicht werden müssen. Daraus resultiert ein langes therapiefreies Intervall mit anhaltender klinischer Wirksamkeit. Denn Alemtuzumab führt zu einer Depletion von B- und T-Zellen, mit anschließender Repopulation und damit quasi einem Reset des Immunsystems.

Es liegen bereits Langzeitdaten zur Wirksamkeit und Sicherheit vor: Dabei zeigen die 6-Jahres-Daten der Zulassungsstudien CARE-MS I und CARE-MS II, dass die Mehrheit der Patienten durch die Behandlung „frei von Krankheitsaktivität“ (NEDA) wird. Außerdem dokumentieren die 10-Jahres-Daten der Phase II-Studie CAMMS223 eine anhaltend niedrige Schubrate von weniger als 0,1 Schüben pro Jahr, erklärte Professor Volker Limmroth, Klinik für Neurologie und Palliativmedizin am Klinikum Köln-Merheim. Darüber hinaus wurde eine Stabilisierung der Erkrankung mit sogar teilweiser Verbesserung des EDSS erwirkt. Für Alemtuzumab sprechen nach Limmroth weitere Befunde: So ist nach der Behandlung im Allgemeinen eine quantitative Zunahme regulatorischer T-Zellen und eine Verlagerung der Zytokin-Balance in Richtung Entzündungsinhibition zu sehen.