Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist gekennzeichnet durch den Untergang von Motoneuronen im Rückenmark und im unteren Hirnstamm. Aufgrund eines Verlusts oder Defekts des Gens SMN1 (Survival Motor Neuron) auf Chromosom 5q wird nicht ausreichend SMN-Protein gebildet, das für das Überleben von Motoneuronen von zentraler Bedeutung ist. Der Schweregrad der SMA korreliert mit der verbleibenden Menge an SMN-Protein. Das Antisense-Oligonukleotid (ASO) Nusinersen moduliert das Spleißen der prä-mRNA des SMN2-Gens. Das führt dazu, dass in größeren Mengen vollständiges SMN-Protein gebildet wird.

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat nun in einem beschleunigten Beurteilungsverfahren eine positive Empfehlung zur Erteilung der Marktzulassung für Nusinersen (Spinraza®) zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie abgegeben. Nusinersen ist das erste Arzneimittel zur Behandlung der SMA, das vom CHMP für die Zulassung in der Europäischen Union (EU) empfohlen wird. „Dies ist ein deutliches Zeichen für das überzeugende Wirksamkeitsprofil von Nusinersen und zeigt, wie hoch der Bedarf an einer wirksamen SMA-Therapie in Deutschland ist“, erklärte Michael Ehlers, Leiter der Forschung und Entwicklung bei Biogen. Das CHMP leitet seine Beurteilung nun an die Europäische Kommission, die für die Erteilung zentraler Marktzulassungen in der EU zuständig ist. Die Entscheidung wird in den nächsten Monaten erwartet.

Die Empfehlung basiert hauptsächlich auf Ergebnissen zweier zulassungsrelevanter placebokontrollierter Studien, nämlich der Studien ENDEAR (infantile SMA) und CHERISH (später einsetzende SMA). Beide Studien belegen die klinisch relevante Wirksamkeit und das positive Nutzen-Risiko-Profil von Nusinersen bei Patienten mit SMA.

  • In ENDEAR – einer Studie zur infantilen SMA, bei der die Symptome im Säuglingsalter einsetzen – war der Prozentsatz der Säuglinge, die einen Meilenstein in der Entwicklung der motorischen Funktionen erreichten, unter Nusinersen signifikant höher als unter Placebo. Meilensteine der motorischen Entwicklung, die von einigen Patienten unter Nusinersen erreicht wurden, waren unter anderem Strampeln, Kopfkontrolle, Sitzen und Krabbeln sowie die Fähigkeit, sich von der Rücken- in die Bauchlage und umgekehrt zu drehen. Zudem wurde bei der Abschlussanalyse bei den Patienten unter Nusinersen im Vergleich zu den Säuglingen unter Placebo eine Verbesserung des Mortalitätsrisikos beziehungsweise des Risikos für die Notwendigkeit einer permanenten Beatmung beschrieben.

  • Die Zwischenauswertung von CHERISH – einer Studie bei Patienten mit später einsetzender SMA – zeigte bei Patienten unter Nusinersen im Vergleich zu Placebo eine statistisch signifikante und patientenrelevante Verbesserung der motorischen Funktion. Diese wurden anhand des Hammersmith Functional Motor Scale – Expanded (HFMSE) bestimmt. Der HFMSE ist ein verlässliches und valides Instrument, das eigens für die Beurteilung der motorischen Funktion von Kindern mit SMA entwickelt wurde.

  • Nusinersen wird intrathekal mittels Lumbalpunktion verabreicht. Es besteht ein Risiko, dass die Lumbalpunktion mit Nebenwirkungen (z. B. Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Erbrechen) einhergeht.

  • Daten aus einer unverblindeten Studie bei präsymptomatischen und symptomatischen Patienten, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine SMA entwickeln, stimmten mit den Ergebnissen der Studien überein und wurden als weiterer Beleg für die empfohlene Indikation erachtet.