Fragestellung: Wie gut ist die wissenschaftliche Evidenz für die Therapie der diabetischen Neuropathie?

Hintergrund: Die symmetrische bilaterale Polyneuropathie ist die häufigste neurologische Manifestation des Diabetes mellitus. Zudem gibt es noch die Mononeuropathia multiplex und atypische Polyradikulopathien. Die ADA hat Leitlinien zur Prävention und Therapie der diabetischen Polyneuropathie publiziert.

Methodik: Die Leitlinie basiert auf systematischen Literaturrecherchen und Metaanalysen.

Ergebnisse: Empfehlungen zur Prävention:

▸ Optimierte Kontrolle der Glukosespiegel, um die Entwicklung oder Verschlechterung einer distalen symmetrischen Polyneuropathie und der kardiovaskulären autonomen Polyneuropathie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes zu verhindern (Evidenzklasse B).

▸ Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und multiplen Risikofaktoren und Komorbiditäten ist eine strikte Blutzuckereinstellung bei der Prävention der distalen symmetrischen Polyneuropathie nur eingeschränkt wirksam (Evidenzlevel B).

▸ Bei Patienten mit Prädiabetes und metabolischen Syndrom und Typ-2-Diabetes wird eine Lebensstilmodifikation empfohlen (Evidenzlevel B).

Empfehlungen zur Schmerztherapie:

▸ Bei der schmerzhaften symmetrischen diabetischen Polyneuropathie wird eine Schmerztherapie mit Pregabalin oder Duloxetin empfohlen (Evidenzlevel A).

▸ Trizyklische Antidepressiva sind ebenfalls wirksam bei der Behandlung der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie (Evidenzlevel B). Aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils sollten sie allerdings vorsichtig eingesetzt werden.

▸ Angesichts des hohen Risikos für Abhängigkeit und andere Komplikationen werden Opioide nicht als Erst-, oder Zweitlinientherapie neuropathischer Schmerzen bei Diabetes mellitus empfohlen.

Schlussfolgerungen: Die US-amerikanische Diabetes-Gesellschaft (ADA) gibt Empfehlungen zur Prävention und Behandlung sowie der Schmerztherapie bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Therapie und Prävention bleiben weiterhin unbefriedigend

Insgesamt ist und bleibt die Prävention und Behandlung der diabetischen Polyneuropathie sehr unbefriedigend. Trotz aggressiver Therapieansätze zur Reduktion der Glukosespiegel und des HbA1c zeigen sich nur geringe Erfolge zur Vorbeugung und zur Besserung der diabetischen Polyneuropathie. Diese Ergebnisse sind ähnlich wie in der Prävention vaskulärer Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder vaskulären Tod. Ähnlich wie in den deutschen Leitlinien werden Pregabalin und Duloxetin zur Schmerztherapie empfohlen. Mit geringerem Empfehlungsgrad wegen der potenziellen Nebenwirkungen wird auch Amitriptylin empfohlen. Im Gegensatz zu den deutschen Leitlinien wird vom Einsatz von retardierten Opioiden angesichts der schwerwiegenden Nebenwirkungen und des Abhängigkeitspotenzials abgeraten.