Fragestellung: Hängt der Erfolg der endovaskulären Thrombektomie bei Patienten mit akutem ischämischem Insult vom Zeitfenster bis zur Rekanalisierung ab?

Hintergrund: In der Zwischenzeit gibt es zehn randomisierte Studien, welche die interventionelle Therapie in Kombination mit einer alleinigen systemischen Lyse verglichen haben. Vier dieser Studien mit Kathetersystemen und geringer Rekanalisationsrate waren negativ, die übrigen sechs Studien zeigten eine klare Überlegenheit der Thrombektomie. Die HERMES-Collaboration wollte jetzt untersuchen, wie weit der Therapieerfolg vom Zeitpunkt zwischen Beginn der neurologischen Ausfälle und Zeitpunkt der Rekanalisation abhängig ist.

Patienten und Methodik: Die Metaanalyse bezieht sich auf die Ergebnisse einzelner Patienten aus den fünf positiven randomisierten Studien, die einen Stentretriever plus Lyse mit der systemischen Thrombolyse allein verglichen. Ausgewertet wurde der Behinderungsgrad nach dem Schlaganfall mithilfe der modifizierten Rankin-Skala nach drei Monaten sowie die Sterblichkeit nach drei Monaten und die Häufigkeit symptomatischer zerebraler Blutungen.

Ergebnisse: In die Metaanalyse gingen 1.287 Patienten ein (mittleres Alter 66,5 Jahre, 47 % Frauen). 634 erhielten eine Thrombektomie in Kombination mit rt-PA und 653 eine alleinige systemische Thrombolyse. Die mittlere Zeit vom Symptombeginn bis zur Randomisierung betrug 196 Minuten. In der endovaskulären Therapiegruppe vergingen im Schnitt 238 Minuten zwischen Symptombeginn und Punktion der A. femoralis. Die Zeitdauer zwischen Symptombeginn und Reperfusion betrug im Mittel 286 Minuten. Nach 90 Tagen war der mittlere Score auf der modifizierten Rankin-Skala 2,9 in der Thrombektomie- und 3,6 in der reinen Lysegruppe. Die Wahrscheinlichkeit eines guten funktionellen Outcomes nach 90 Tagen nahm linear mit der Zeit von Symptombeginn bis Thrombektomiebeginn ab. Ab 7 Stunden und 20 Minuten zeigte sich keine statistische Überlegenheit der Thrombektomie gegenüber der konservativen Therapie mehr. Sterblichkeit und Häufigkeit intrazerebraler Blutungen waren nicht unterschiedlich.

Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit akutem ischämischem Insult, Verschluss der distalen A. carotis interna oder der proximalen A. cerebri media hängt der Erfolg der Thrombektomie von der Zeit zwischen Beginn der neurologischen Symptomatik und Beginn des interventionellen Eingriffs ab.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Zeitfenster auf 7 Stunden erweitern

Es ist wenig überraschend, dass, ähnlich wie bei der systemischen Thrombolyse, auch bei der mechanischen Thrombektomie ein Zusammenhang zwischen einem guten funktionellen Endpunkt und dem Zeitpunkt bis zu dem Beginn der Thrombektomie beziehungsweise der Rekanalisierung besteht. Dieses Ergebnis zeigt sich auch für alle anderen Parameter wie beispielsweise die Zeit von der Notaufnahme bis zur Rekanalisation. Der berechnete Zeitpunkt, bis zu dem die Patienten noch von einer Thrombektomie profitieren, lag bei etwas über 7 Stunden. Daher sollte erwogen werden, ob das derzeitige in den Leitlinien definierte Zeitfenster von 6 Stunden um 1 Stunde verlängert wird.