Fragestellung: Ziel dieser Studie war die Überprüfung von Wirksamkeit und Sicherheit von Rituximab (RTX) bei Patienten mit Neuromyelitis Spektrumerkrankungen (NMOSD) im Rahmen einer systematischen Übersicht und Metaanalyse von RTX-Therapiestudien. Besonderes Augenmerk wurde auf potenzielle prädiktive Faktoren für ein Therapieansprechen gelegt.

Hintergrund: NMOSD sind autoimmune Astrozytopathien, die vor allem Sehnerven und Rückenmark befallen. Meist handelt es sich um eine Serum-IgG gegen das astrozytische Aquaporin 4 (AQP4), den hauptsächlichen Wasserkanal des ZNS. RTX ist ein therapeutischer, chimärer, monoklonaler Antikörper, der für das Oberflächenantigen CD20, das auf B-Lymphozyten exprimiert wird, spezifisch ist und zunehmend als initiale Off-label-Behandlung bei NMOSD-Patienten eingesetzt wird.

Patienten und Methodik: Englischsprachige, zwischen 2000 bis 2015 veröffentlichte Studien wurden in verschiedenen Datenbanken gesucht. Patienteneigenschaften, Behandlungsschemata, Studienergebnisse sowie aufgezeichnete Nebenwirkungen wurden extrahiert. 46 Studien wurden in die systematische Überprüfung aufgenommen. 25 davon, in denen zwei oder mehr NMOSD-Patienten mit RTX behandelt wurden, flossen in die Metaanalyse ein. Die Unterschiede in jährlicher Schubrate und EDSS (Expanded Disability Status Scale) vor und nach RTX-Therapie waren die wichtigsten Wirksamkeitsparameter. Die Sicherheitsanalyse umfasste Therapieabbrüche wegen toxischer Effekte, Nebenwirkungen und Todesfälle.

Ergebnisse: In den 46 Studien wurden 438 NMOSD-Patienten mit RTX behandelt. 381 waren Frauen; das mittlere Alter zu Therapiebeginn betrug 32 Jahre (Altersspanne zwei bis 77 Jahre). 83 % waren AQP4-IgG-positiv. Im Mittel wurden die Patienten 27,5 Monate (Spanne drei bis 272 Monate) nach der RTX-Gabe nachbeobachtet. RTX reduzierte die mittlere jährliche Schubrate um 0,79 (95 %-Konfidenzintervall [KI], – 1,08 bis – 0,49), den mittleren EDSS um 0,64 Punkte (95 %-KI, – 1,18 bis – 0,10). Es bestand eine signifikante Korrelation zwischen Erkrankungsdauer und EDSS. Nur bei 13 % der Patienten wurde RTX als First-line-Medikation eingesetzt. Nebenwirkungen traten bei 114 von 438 (26 %) der mit Rituximab behandelten Patienten auf: bei 45 Patienten (10,3 %) infusionsbedingte Nebenwirkungen, bei 40 (9,1 %) eine Infektion, bei 20 (4,6 %) eine persistierende Leukopenie und bei zwei Patienten (0,5 %) eine posteriore reversible Enzephalopathie. Sieben Patienten (1,6 %) verstarben.

Schlussfolgerungen: Dieser systematische Review und die Metaanalyse liefern Hinweise, dass RTX effektiv die Häufigkeit von Schüben und die neurologische Behinderung bei NMOSD-Patienten reduziert. Jedoch mahnt das Sicherheitsprofil zur vorsichtigen Verschreibung von RTX als First-line-Therapie bei NMOSD.

Kommentar von Til Menge, Düsseldorf

Metaanalyse mit breiter Streuung – besser geht es wahrscheinlich nicht

In Ermangelung einer kontrollierten, randomisierten klinischen Studie ist dieser Behelf sinnreich, wenn auch von reduzierter statistischer Aussagekraft. Zwar konnten über einen Publikationszeitraum von 5,5 Jahren 438 NMOSD-Patienten zusammengetragen werden, aber es handelt sich um ein heterogenes und nicht systematisch aufgearbeitetes Patientenkollektiv. Die Altersspanne reichte beispielsweise vom Kleinkind bis zum geriatrischen Patienten (zwei bis 77 Jahre) und die Erkrankungsdauer bis zur Erstgabe von RTX spannte sich über 1,5 bis 276 Monate. Auch waren die Nachbeobachtungszeiten mit drei bis 272 Monaten sehr variabel, und es wurde nicht spezifiziert, wie häufig die Patienten nachuntersucht wurden.

Leider wurde nicht analysiert, ob – in Analogie zur MS – der therapeutische Effekt mit der Erkrankungsdauer korrelierte. Bezüglich der Nebenwirkungen wäre zu wünschen gewesen, dass bei den ungewöhnlichen Nebenwirkungen (posteriore reversible Enzephalopathie) und den Todesfällen die Referenzen hinterlegt worden wären, um schneller auf die Originalliteratur zugreifen zu können. Alles in allem bestätigt die Metaanalyse aber, was man aus eigener Erfahrung oder kleineren Fallserien kennt: RTX ist eine sehr gute und mittlerweile gut etablierte Therapieoption bei NMOSD, von der keine Wunder erwartet werden dürfen. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass laut der Online-Datenbank clinicaltrials.gov im Dezember 2016 eine iranische offene, randomisierte Therapiestudie, die über ein Jahr Azathioprin versus RTX hinsichtlich Schubrate, EDSS und Nebenwirkungen bei NMOSD verglichen hat, abgeschlossen wurde (NCT03002038). 76 Patienten konnten eingeschlossen werden. Die Ergebnisse stehen aus.

figure 1

PD Dr. med. Til Menge, Düsseldorf