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Prof. Dr. med. Volker Limmroth, Köln-Merheim

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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

In der japanischen Autoindustrie galt viele Jahrzehnte das Motto „Rede über Kosten und die Qualität wird sinken – rede über Qualität und die Kosten werden sinken“. Diese über Jahrzehnte beherzigte Regel sorgte schließlich dafür, dass japanische Autos in der Pannenstatistik des ADAC die besten Plätze noch vor den deutschen Premiumfahrzeugen belegten.

Mit den Ressourcen verantwortungsvoll umgehen

Ob sich diese Formel auch auf das Deutsche Gesundheitssystem übertragen lässt, ist sicher diskussionswürdig. Klar ist aber, dass unsystematische Kostensenkungen nicht die Qualität fördern, auf der anderen Seite aber planloser Ressourcenverbrauch nicht zwangsläufig Qualitätssicherung bedeutet. Mehr denn je ist daher ein intelligenter und kontrollierter Umgang mit Ressourcen gefragt, insbesondere auch um innovative Therapien in Zukunft weiterhin flächendeckend anwenden zu können. In diesem Sinne sollten sich alle ärztlichen Kollegen, die innovative und damit meistens kostenintensive Therapiekonzepte nutzen, immer wieder kritisch fragen, inwieweit ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Ressourcen gewährleistet ist und inwieweit ein möglicherweise aus tradiertem Verhalten oder Unachtsamkeit erfolgter Übergebrauch reduziert werden kann.

Lieber agieren als reagieren

Die Lebenserfahrung zeigt, dass es häufig klüger ist, rechtzeitig Konzepte fertig in der Schublade zu haben, als plötzlich Konzepte anderer Interessengruppen – hier insbesondere der Kostenträger – ausführen zu müssen. Diese schmerzhafte Erfahrung machten insbesondere unsere US-amerikanischen Kollegen in den letzten Jahren, wo Versicherungen und Apotheken inzwischen nachhaltig in die bei uns noch relativ unangetastete Therapiefreiheit des Arztes eingreifen und je nach Vertrag des MS-Patienten über die immunologische Therapie mitentscheiden. Unsere Kollegen jenseits des Atlantiks verkommen hier in einigen Bundesstaaten zu Bittstellern und müssen durch extrem bürokratische Prozesse die von der FDA eindeutig zugelassenen Präparate bei den zuständigen Versicherungen beantragen. Diese Situation führt in den USA unter den Neurologen zu einem ganz anderen Druck, über eine sinnvolle und ethisch vertretbare Kostenreduktion im klinischen Alltag nachzudenken. Insbesondere eine Zahl des größten allgemeinen Krankenversicherers Medicare schreckte die neurologische Community auf: Im Jahr 2015 gab Medicare für nur ein einziges (!) aller MS-Präparate zur Behandlung der schubförmigen Verlaufsform (Glatirameracetat) so viel Geld aus wie für sämtliche Honorare aller Neurologen, die Patienten von Medicare (und nicht nur MS-Patienten) behandelten.

Kosten senken – Qualität verbessern

Eine Arbeitsgruppe hat nun umfangreiche Vorschläge erarbeitet, wie Kosten in der MS-Therapie gesenkt werden können ohne Qualitätsverluste, sondern im Gegenteil, soweit möglich, sogar Qualitätsverbesserungen zu bewirken. Sie legen dabei in vielen Bereichen den Finger in die Wunde und diskutieren Aspekte, um die wir auch hier in Deutschland bisher einen großen Bogen machen: Wie lang muss eine Immuntherapie tatsächlich beibehalten werden? Gibt es Kriterien, wann eine Therapie beendet werden kann? Sollte ab einem bestimmten Alter (z. B. 60 Jahre) eine Immuntherapie grundsätzlich überprüft oder zunächst ausgeschlichen werden? Dürfen Dosierungen reduziert werden, wenn der Patient über Jahre stabil ist? Wie sieht es mit der Verwendung von Bio-Similars aus, wenn diese in einer klinischen Studie ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt haben? Muss jeder MS-Schub wirklich mit einem Steroidstoß und immer auch intravenös behandelt werden? Wie können stationäre Aufnahmen sinnvoll vermieden werden?

Dies sind nur einige wenige Fragen, die von einigen Arbeitsgruppen derzeit bearbeitet und diskutiert werden. Viele dieser Fragen sind kürzlich in einem sehr lesenswerten Artikel veröffentlicht und detailliert besprochen worden. Wir haben diesen Artikel ausführlich für Sie referiert (siehe Seite 10).

Man muss nicht allen Vorstellungen und Ideen der amerikanischen Kollegen zustimmen, man kommt aber nicht umhin einzugestehen, dass viele Ansätze durchaus auch in Deutschland sinnvoll wären. Und ob wir wollen oder nicht, wir werden uns mit diesen Themen in naher Zukunft auch auf dieser Seite des Atlantiks auseinandersetzten müssen. Klarer Fokus der Diskussion kann jedoch nur sein: Gewährleistung und langfristige Verbesserung der Behandlungsqualität.